Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Angehörigen Seminar 2024

Zeit15.–17.3.
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaGefühle als Wegweiser
ReferentinPetra Dummermuth-Kress, AGJ Suchberatung Ettlingen
BerichtBärbel Kempermann
BilderBärbel Kempermann

Im Alltag nehmen wir unsere Gefühle häufig nicht bewusst wahr. Angenehme Gefühle erscheinen als selbst­verständ­lich und unangenehme Gefühle ignorieren wir oft. Dabei ist es so wichtig, auf uns und unsere Gefühle zu achten, denn sie zeigen uns, was wir brauchen und worum wir uns kümmern sollten.

Ich freue mich auf das Seminarwochenende. Zeit für mich und meine Gefühle. Ich bin gespannt auf das Thema und darauf, ob ich meinen Wegweiser hierfür scharf stellen kann. Denn ist mein Alltag stressig, voller Termine und Verpflichtungen, vernachlässige ich meine Bedürfnisse häufig als erstes. Ich haste durch den Tag und ignoriere meine Gefühle. Wie mir geht es sicher auch den anderen Teil­nehmenden, die hierher nach Rastatt in das Bildungshaus St. Bernhard gekommen sind. Durch das Thema führt Frau Petra Dummermuth-Kress von der AGJ Suchberatung Ettlingen.

Freitag

Wir starten mit einer Vorstellungs­runde. Erzählen von uns, geben einen Einblick in die derzeitige ganz persönliche indi­viduelle Gefühlslage und nennen unsere Erwartungen an das Seminar. Eins eint uns: wir alle kennen das wechselnde Auf und Ab der Gefühle, von Liebe und Sorge über Hoffnung und Enttäuschung bis hin zu Wut und Verzweiflung.

Zum Einstieg in das Thema und zum Abschluss der ersten Seminareinheit hören wir

Die Geschichte von den zwei Wölfen: [1]

Eines Abends erzählte ein alter Cherokee-Indianer seinem Enkelsohn am Lagerfeuer von einem Kampf, der in jedem Menschen tobt.

Er sagte: „Mein Sohn, der Kampf wird von zwei Wölfen ausgefochten, die in jedem von uns wohnen.

Einer ist böse. Er ist der Zorn, der Neid, die Eifersucht, die Sorgen, der Schmerz, die Gier, die Arroganz, das Selbstmitleid, die Schuld, die Vorurteile, die Minderwertigkeitsgefühle, die Lügen, der falsche Stolz und das Ego.

Der andere ist gut. Er ist die Freude, der Friede, die Liebe, die Hoffnung, die Heiterkeit, die Demut, die Güte, das Wohlwollen, die Zuneigung, die Großzügigkeit, die Aufrichtigkeit, das Mitgefühl und der Glaube.“

Der Enkel dachte einige Zeit über die Worte seines Großvaters nach, und fragte dann: „Welcher der beiden Wölfe gewinnt?“

Der alte Cherokee antwortete: „Der, den du fütterst.“

Eine Geschichte zum Nachdenken. Ich möchte den guten Wolf in mir füttern, denn mit einer positiven Lebenseinstellung lebt es sich leichter.

Samstag

Wir beginnen mit einer Körperübung und sind danach wach und offen für das Thema „Gefühle als Wegweiser“

Es gibt vier große Grundgefühle

1. FREUDE:

Wenn wir uns wohlfühlen, wenn unser Verstand sagt: „Es ist alles wunderbar“, wenn wir den Moment festhalten möchten, dann erleben wir dieses positive lebensbejahende Gefühl. Freude ist ein Zustand, der oft von einem Lächeln oder einem warmen Gefühl im Inneren begleitet wird.

2. TRAUER:

Wenn unsere Welt stillsteht, weil wir Dinge nicht ändern können, spüren wir Leere, Hilflosigkeit und Schmerz. Wir meinen, es gibt kein Morgen mehr. Trauer ermöglicht es uns, Dinge so anzunehmen wie sie sind und sie hilft uns, Vertrautes loszulassen für Neues. Dabei hilft uns auch die

3. WUT:

Wut hilft uns das zu ändern, was wir ändern können, denn aus Wut erwächst Kraft zum Handeln. Also ein positives Gefühl. Wut entsteht durch eine unangenehme Situation, eine Ungerechtigkeit oder eine Kränkung. Die Wut hat leider keinen guten Ruf. Sie ist heftiger als Ärger und schwerer zu kontrollieren als Zorn und dient oft als Erklärung für aggressives und impulsives Verhalten.

4. ANGST:

Angst ist ein natürlicher Schutzmechanismus. Sie tritt auf, wenn wir Gefahren wahrnehmen und hilft uns die Ursachen der Gefahr auszuschalten oder ihr zu entkommen.

Erwähnen möchte ich noch EKEL und SCHAM. Diese Gefühle werden manchmal auch dazu gezählt. Gut zu wissen: Alle Gefühle sind normale gesunde Reaktionen auf Ereignisse. Sie sind überlebenswichtig, treten nur vorübergehend auf und sind eng mit dem Handeln verbunden.

Gut zu wissen:

GEFÜHLE

In einer Einzelarbeit erstellen wir anhand der Grundgefühle unsere Lebenslinie. Die Ergebnisse teilen wir anschließend in Kleingruppen mit anderen. Ganz schnell lernen sich die Teil­nehmenden der jeweiligen Gruppe näher kennen. Die Offenheit mit der wir einander begegnen ist eine sehr schöne Erfahrung.

Nach dieser sehr persönlichen Einheit beschäftigen wir uns näher mit dem Gefühl, das uns alle am meisten interessiert:

WUT

Wut entsteht durch Verletzungen und Enttäuschungen und wir Menschen gehen unter­schied­lich mit ihr um. Einer schreit mit hochrotem Kopf, der andere wirft mit Gegenständen um sich oder knallt Türen. Manche Menschen trauen sich gar nichts und unterdrücken ihre Wut. Sie schlucken sie „einfach “ herunter. Wir können Wut also entweder verdrängen, verstecken oder ihr freien Lauf lassen. Alle kennen den Begriff „Blinde WUT“, heißt, wenn ich vor lauter Wut keine andere Wahrnehmung mehr habe. In einer solchen Situation kann ein Wutausbruch auch zu unkontrollierbaren Handlungen führen. Wir erkennen uns in dieser Rolle oft selbst nicht mehr.

Wie also umgehen mit unserer Wut? Wut nicht unkontrolliert rauslassen und auch nicht unterdrücken. Gerade wenn wir zu viel Wut ansammeln, kann die kleinste Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen bringen und die folgende Explosion trifft oft den Falschen. Haben wir Mut zur Wut, spüren sie und lassen sie zu! Einmal tief durchatmen und überlegen, wohin mit ihr. Was genau ärgert mich? Was genau kann ich ändern und kann ich die Wut als Motor zur Veränderung nutzen?

JA, denn Wut ist Energie und wichtig um aktive Veränderungen vorzunehmen. Sobald wir bemerken, dass in uns etwas brodelt, können wir uns klar zu dieser aufkommenden Wut positionieren und uns fragen, was brauche ich jetzt. Es erfordert Mut sich mit der eigenen Gefühlswelt auseinander zu setzen. Ich schaue meine Wut genauer an und bin bereit für eine Veränderung. Ich nehme mich wichtig, zeige meine Grenzen auf und kann so aufkommende Wut in Selbstfürsorge und Achtsamkeit wandeln.

Noch eine kleine Aussage von Ekke Scholz, Beziehungscoach, zur ANGST

Angst ist das Grundgefühl, das uns sagt, wenn du mich überwindest, wirst du mit Glück belohnt.

Wir benennen in Stichworten unsere Strategien und Erfahrungen zum Umgang mit Ängsten:

  • Sich selbst gut aufstellen (Freunde, Telefonliste für den Notfall)

  • Hilfe suchen,

  • Reden

  • Loslass-Rituale

  • Kleine Schritte tun

  • Natur (Wald, Wasser)

Wir haben gelernt: jedes Gefühl gilt es wahrzunehmen, anzunehmen und zuzulassen. Gefühle lassen sich beeinflussen und sie ändern sich.

Nach so viel Theorie lädt uns Petra ein auf Einzelsituationen einzugehen. Und das Angebot wird angenommen. Jemand aus unserer Mitte möchte einen genaueren Blick auf seine persönliche Familienkonstellation werfen. Dies erfolgt im Rahmen einer Aufstellung, einer Methode bei der z.B. Beziehungen im Seminarraum nachgestellt werden. Dadurch kann die Verbindung der Mitwirkenden aufgezeigt und bewusst gemacht werden. Unter der Moderation von Petra stellt sich die betroffene Person, also die Protagonistin, auf, holt nacheinander ihre Familienmitglieder durch Stellvertreter dazu, so dass alle räumlich miteinander in Beziehung stehen. Es dauert bis alle so stehen, wie es für unsere Protagonistin stimmig erscheint. Diese wird dann durch einen anderen Teil­nehmenden, stellvertretend, ersetzt, damit die betroffene Person die Situation von außen betrachten kann. Stimmt das Gefüge? Noch nicht ganz. Der Blick von außen führt nochmals zu Veränderungen an bestimmten Positionen. Jetzt passt es für die Protagonistin, sie nimmt ihren Platz wieder ein und spürt nach. JA, so fühlt es sich gut an. So ist es stimmig.

Sie benennt ihre Erfahrungen wie folgt: durch die Aufstellung bekam ich eine klare Sicht auf mich und mein familiäres Umfeld. Ich möchte, wenn es mir gelingt, ein wenig Loslassen um jedem von uns, vor allem mir, etwas mehr Abstand zu gönnen.

Im anschließenden Feedback berichten zunächst die Stellvertreter, wie sie sich an ihrem Platz gefühlt haben und dann benennen die Zuschauer ihre Wahrnehmungen. Beeindruckend dabei ist, dass Stellvertreter die Gefühle der vertretenen Personen nachspüren können ohne nähere Infor­mationen über diese zu haben. Rückmeldungen waren z.B. „das war mir zu eng“, oder „ich fühlte mich ausgeschlossen“.

Was hilft mir beim Abschalten?

Hierzu sammeln wir Begriffe und genannt werden:

  • Garten

  • Stricken, Häkeln

  • Wandern, Spazieren, Fahrrad- oder E-Bike-Tour, Jakobsweg

  • Musik, Gitarre

  • Sport, Schwimmen, Schießen

  • Meditieren

  • Dialog

  • Spielen

  • Kochen, Backen, Essen

Nach einer Kaffeepause greifen wir die Geschichte vom Freitagabend auf: wie füttere ich den guten Wolf? Ich fasse in Stichworten zusammen

  • Selbstwirksamkeit

  • Erinnere das Gute!

  • Positive Haltung

  • Es ist nie zu spät um eine glückliche Kindheit gehabt zu haben* [2]

  • Perspektivwechsel

  • Wir sind das, was wir oft denken oder tun

  • Mut zur Veränderung

  • Neugier

Mit einer positiven inneren Haltung werden wir offener für neue Ideen und neue Erfahrungen. Schon Marc Aurel [3] sagte: Auf die Dauer der Zeit nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.

*Wir streifen auch kurz das Thema Kindheit, denn bereits hier erleben viele Menschen traumatisierende Situationen. Somatic Experiencing (SE), entwickelt von Dr. Peter Levine, ist eine therapeutische Methode zur Über­windung von posttraumatischen Störungen. Es ist eine neuartige Therapie, die von den Krankenkassen allerdings noch nicht anerkannt ist.

Buchtipps:

Norman Vincent Peale: Die Kraft des positiven Denkens

Eckehardt von Hirschhausen: Glück kommt selten allein, auch www.glueck-kommt-selten-allein.de

Ben Furman: Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit zu haben

Sonntag

Wach durch eine Körperübung beschäftigen wir uns am letzten Seminartag nochmals mit unserer Biographie. In Einzelarbeit visualisieren wir unsere Höhen und Tiefen auf dem bisherigen Lebensweg durch Malen, Zeichnen oder auf andere Weise: eine Aus­einander­setzung mit dem eigenen Leben. Mir hat diese Arbeit gezeigt, dass es mir durch meine Ausdauer und meine positive Haltung gelungen ist, schwierige Phasen in meinem Leben zu meistern. Wie sagt der Volksmund: Nach Regen kommt auch wieder Sonnenschein. So einfach ist es nicht. Ich habe einige Täler durchwandert und bin heute mit meiner Lebens­geschichte versöhnt.

Wir blicken gemeinsam auf das Seminar zurück. Welche Wegweiser oder Perlen nehme ich mit nach Hause:

  • Jeder Lebenslauf, jede Partner­schaft ist einzigartig

  • Es gibt kein Richtig und kein Falsch

  • Alles darf sein und nebeneinanderstehen

  • Leben ist Farbe und nicht grau

  • Gefühle kommen und gehen

  • Wut anders anschauen und anders bewerten – auch positiv!

  • Sich der Wut stellen

  • Entschleunigung

  • LMAA bedeutet auch Lächle Mehr Als Andere

  • WILL ich das? Will ich DAS? Will ICH das?

  • Stift quer im Mund- die Mundwinkel werden trainiert für das Lächeln. (Mundwinkel gehen automatisch nach oben) SIEHE UNSER GRUPPENBILD

Wir haben uns an diesem Wochenende intensiv ausgetauscht und durften uns näher kennen­lernen.

Welche netten Worte kann ich den anderen Teil­nehmenden mitgeben? Wir überlegen und schreiben kleine passende Grußbotschaften auf, die jede bzw. jeder von uns in einem Umschlag verpackt, mit nach Hause bekommt.

In der Abschlussrunde wird die Offenheit und die gute Zusammenarbeit hervorgehoben. Das Seminar war ein Volltreffer. Wir fahren mit vielen neuen Impulsen nach Hause. Ein großes Dankeschön an Petra für ein gelungenes Seminar! Danke auch an das Team vom Bildungshaus St. Bernhard in Rastatt. Wir haben uns rund rum wohlgefühlt.

[1] Gefunden bei Johanna Katzera https://einfachachtsam.de

[2] Milton H. Erickson, (1901 - 1980) lebte in Phoenix, Arizona und arbeitete als Psycho­thera­peut

[3] Marc Aurel (121 - 180), römischer Kaiser und Philosoph