Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Single Seminar 2023

Zeit17.–19.3.2023
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaResilienz
ReferentFalk Immenroth
BerichtBärbel Kempermann
BilderRiklef Schmidt

Ein Novum bei unseren Seminaren. Zum ersten Mal finden zum gleichen Termin und im gleichen Seminarhaus zwei Kreuzbundseminare statt. Das ergibt ein großes Hallo beim Ankommen. Weil es beim Abendessen freie Tischwahl gibt, mischen sich beide Gruppen bunt durcheinander. Jeder Teil­nehmende findet sich anschließend zum Seminarbeginn im richtigen Raum ein. Es kann losgehen.

Erfahrene und 5 neue Seminar­teil­nehmer stellen sich vor, erzählen von ihrem Weg mit und aus der Sucht, geben einen Einblick in die derzeitige persönliche Gefühlslage und formulieren die Erwartungen an das Seminar. Ein sehr intensiver Freitagabend.

Resilienz

Immer wieder hören wir den Begriff Resilienz. Was verbirgt sich dahinter?
Wikipedia beschreibt Resilienz als den Prozess, in dem Personen auf Probleme und Veränderungen mit Anpassung ihres Verhaltens reagieren.[1]

Der Gegenspieler der Resilienz ist die Vulnerabilität[2], was Verwundbarkeit, Verletzbarkeit bedeutet und in Stress-Situationen das seelische Gleich­gewicht stören und die Entstehung von psychischen oder körperlichen Krankheiten begünstigen kann.

Erste Forschungen zum Thema Resilienz wuden durch Emmy Werner[3] auf der Hawaii-Insel Kauai durchgeführt und 1977 veröffentlicht[4,9]. Über lange Zeit wurden Kinder beobachtet, die in ungünstigen Familien­verhält­nissen aufwuchsen und deren Zukunftsperspektive schlecht war. Es zeigte sich, dass es manchen gelang, auch mit schlechten Startbedingungen als leistungsfähige Erwachsene im Leben anzukommen und zu bestehen.

Resilienz ist also die psychische Widerstandskraft und die Fähigkeit, mit Belastungen umgehen zu können, ohne selbst Schaden zu nehmen. Es gibt keine Resilienz ohne Krise. In schwierigen Lebenssituationen schaffen es resiliente Menschen unbeschadet, oder sogar gestärkt, ihren Weg vorwärts gerichtet weiter zu gehen.

Zur Resilienz gehört auch die Salutogenese (Gesunheits-Entstehung)[5]. Dieser Begriff wurde von dem Soziologen Aaron Antonovsky[6] in den 1970er Jahren entwickelt. Danach ist Gesundheit kein Zustand, sondern Ziel eines vielschichtigen Prozesses. Risiko- und Schutzfaktoren stehen hierbei in Wechselwirkung und seelische Stabilität resultiert aus einer möglichst ausgeglichenen Bilanz negativer Stressoren und Widerstandsressourcen.

Warum können manche Menschen mit Krisen besser umgehen? In Gruppen­arbeiten setzen wir uns damit auseinander und tragen unsere Ergebnisse stichwortartig zusammen:

Urvertrauen, Erziehung, stabile Bindungen, Vorbilder, Lebenserfahrung und -einstellung, Bewertung einer Sache, körperlicher und psychischer Zustand, soziale, private und berufliche Situation, kultureller Hintergrund, Optimismus, Selbstvertrauen, soziale Kontakte …, alle diese Punkte spielen für die Krisenbewältigung eine Rolle. Wichtig zu wissen ist, dass alle Menschen die Fähigkeit besitzen, aus Schwierig­keiten zu lernen. Das ist ein ständiger Prozess, der Übung erfordert. Wir brauchen dafür:

  • Kohärenzgefühl
    die Überzeugung, dass das Leben einen Sinn hat, und
    das Vertrauen, das eigene Leben gestalten und bewältigen zu können
  • Hardiness Grundhaltung
    persönliche Ressource mit der Fähigkeit, Stress-Situationen etwas Positives abgewinnen zu können,
  • Copingstrategien
    kritische Lebensereignisse mit einer Strategie zu lösen
  • Selbstwirksamkeitserwartung
    Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die
    Gewissheit, Anforderungen gewachsen zu sein und
    Heraus­forderungen meistern zu können
  • Kognitive Flexibilität
  • Optimismus
  • Soziale Unter­stützung
  • Spiritualität

Wie stärke ich Resilienz? Die Gruppe findet folgende Aspekte:

  • sich die Resilienz bewusst machen
  • seiner selbst bewusst sein, in sich selbst ruhen, akzeptieren und tolerieren
  • Selbstvertrauen und Selbstliebe
  • Standortbestimmung, Blickwechsel und Schönheit erkennen
  • Rituale und Struktur
  • Achtsamkeit, Entspannung, Auszeiten und guter Schlaf
  • Soziales Umfeld aufbauen und optimieren
  • Optimistischer Blick nach vorn
  • Dankbarkeit und Humor
  • Copingstrategien
  • Hobby und Sport
  • Menschen und Tiere

Ganz viele Punkte, die wir gefunden haben. Jetzt gilt es, sich in schwierigen Situationen daran zu erinnern. Im besten Fall komme ich gestärkt durch eine Krise und kann daran wachsen.

Säulen der Resilienz

Bogenschiessen

Unser Referent Falk Immenroth ist auch Trainer für therapeutisches Bogenschießen. Er hat entsprechendes Equipment dabei und uns zu einer Übungseinheit eingeladen. Das Wetter ist gut und wir freuen uns alle auf diese neue Erfahrung. Auf dem ehemaligen Sportplatz des Seminarhauses sind bereits die Zielscheiben (am Anfang noch verdeckt) aufgebaut.

Falk weist uns in die Grundregeln des Bogenschießens ein: die Beine sind schulterbreit geöffnet, du stehst parallel zum Ziel und suchst einen stabilen, festen Stand. Dann legst du den Pfeil über den Bogen und hakst ihn ein. Der Pfeil ist zwischen gebeugtem Zeige- und Mittelfinger leicht fixiert, die Schultern und das Handgelenk sind locker. Jetzt atme tief ein und fixiere das Ziel. Spüre in dich hinein und richte den Bogen auf das Ziel, ziehe die Sehne ruhig aus der Schulter nach hinten bis zur Höhe des Mundwinkels. Dabei bleibt der Ellbogen in einer Linie und das Ziel ist weiterhin fest in deinem Blick. Beachte weiter deine Gefühle und lass die Sehne los.

Nacheinander versuchen wir das umzusetzen. Falk gibt immer mal wieder Hilfestellung und die meisten von uns sind mit großer Begeisterung dabei. Schon bald stellen sich kleine Erfolge ein und wecken bei einigen Teil­nehmenden das Interesse am Bogensport.

Therapeutisches Bogenschießen[7]

Vom Auflegen bis zum Loslassen des Pfeils, und auch noch danach, bin ich konzentriert und sehr achtsam. Ich bin im Hier und Jetzt, lenke die Aufmerksamkeit bewusst und geduldig auf den Moment. Dadurch kann ich innere Unruhe senken und ein mögliches Kopfkino ausschalten.

Der Bogen ist ein Medium mit dem wir uns ausdrücken, unbewusst. Der Bogen ist auch eine Metapher. Wir spannen den Bogen oder überspannen ihn. Wir lassen los. Wir bauen einen Spannungsbogen auf. Schießen wir über das Ziel hinaus?

Einzelne Abläufe der Technik kann ich stellvertretend für Situationen in die Realität meines Lebens übertragen und mir damit Bewältigungsstrategien erarbeiten:

BogenschießenReales Leben
Fester StandWo und wie stehe ich im Leben?
Halt findenIch fokussiere mich und fixiere das Ziel
Ziel fokussierenBin ich zielorientiert?
ArmspannungWie gehe ich mit Spannungen um und kann ich diese auch aushalten?
LoslassenWie, wann und was lasse ich los? Bin ich dafür bereit?

Es bewirkt:

  • Achtsamkeit, Schulung der Aufmerksamkeit, Steigerung der Konzentration
  • Abbau von Stress und inneren Ängsten
  • Erhöhung der Leistungsfähigkeit und der emotionalen Kompetenz
  • Körperwahrnehmung, Finden der inneren Mitte

Rückmeldungen von den Teil­nehmenden zu dieser abwechslungsreichen Seminareinheit waren: es hat Spaß gemacht, ich hatte einen persönlichen Erfolg, einfach gut dieses bei sich sein.

Selbst­bewusst­sein

Nach den neu gemachten Erfahrungen widmen wir uns einem weiteren Thema, das durch positiven Erlebnisse helfen kann, unser Selbst­bewusst­sein zu stärken.

Selbst­bewusst­sein ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Eigenschaften und das eigene Urteilsvermögen. Wenn wir uns nicht trauen, etwas Neues auszuprobieren oder für uns selbst einzustehen, mangelt es uns an Selbstvertrauen und Selbst­wert­gefühl.

  • Selbst­wert­gefühl (positive Einstellung zu sich selbst)
    Der Selbstwert basiert darauf, ob man sich selbst als wertvolles, fähiges, menschliches Wesen sieht, das Respekt und Beachtung verdient. Es entsteht durch die eigenen Vorstellungen und Erwartungen, die wir an uns selbst stellen.[8]
    • zufrieden, einverstanden und Eins mit sich sein
    • sich wertschätzen
    • sich in sich selbst zuhause fühlen
  • Selbstvertrauen (positive Einstellung zu eigenen Fähigkeiten und Leistungen)
    Das Selbstvertrauen bezieht sich auf die Akzeptanz unserer Fähigkeiten. Selbst­bewusste Menschen wissen, wo ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen liegen und können ihre Kompetenzen gut einschätzen.
    • etwas gut können, machen und erreichen
    • etwas durchhalten und auch lassen können
  • Selbstliebe (Ich mag mich mit all meinen Stärken und Schwächen)
    Das hat nichts mit Egoismus zu tun. Ich gehe wertschätzend mit mir um und reflektiere meine Bedürfnisse. Durch diese Akzeptanz zu mir selbst kann ich mich weiter entwickeln.
    Wir können Selbstliebe lernen:
    • Sei mit dir selbst bestens befreundet
    • Freue dich, wenn dir etwas gelungen ist.
    • Vergleiche dich nur mit dir selbst
    • Mache dir selbst Komplimente
    • Spreche über Fehler
    • Tu dir etwas Gutes
    • zähle oder schreibe jeden Tag Dinge auf, die dir gut gelungen sind, für die du dankbar bist.

In mein Dankbarkeitstagebuch für dieses Wochenende schreibe ich: Danke für die schöne Zeit mit anderen Weg­gefährten und Weg­gefähr­tinnen. Danke an Falk Immenroth für das gelungene Seminar. Genauso nehme ich dieses Dankeschön mit in die Schlussrunde. Das Thema war anspruchs­voll. Es hat mir jedoch ganz viel Spaß und Freude gemacht.

Was nehme ich von diesem Wochenende mit?
Achtsamkeit. Ich möchte

  • mich auf den Moment einlassen, also im Hier und Jetzt sein
  • mich von festgefahrenen alten Mustern befreien
  • einen Blickwechsel wagen, um kreative Lösungen zu finden

Weblinks

[1] Wikipedia: Resilienz

[2] Wikipedia: Vulnerabilität

[3] Wikipedia: Emmy Werner

[4] Kauai Studie zur Resilienz

[5] Wikipedia: Salutogenese

[6] Wikipedia: Aaron Antonovsky

[7] Therapeutisches Bogenschiessen

[8] AOK: Selbst­bewusst­sein stärken

Literatur

[9] E. Werner In G. Opp, M. Fingerle (Hrsg.), Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz; Ernst Reinhardt Verlag (2008) ISBN 978-3-497-01908-3