Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Allgemeines Seminar I 2023

Zeit17.–19.3.2023
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaNeue Wege enstehen, wenn man sie geht
ReferentinRenate Walter-Hamann, ehem. Deutscher Caritasverband e.V.
BerichtRenate Walter-Hamann
BilderGerhard Häring

Arbeits­einheit 1:
Kennen­lernen und Einstieg in das Seminar­thema

An die Begrüßung und Eröffnung des Seminars durch Gerhard Häring schließt sich eine kurze Vorstellungs­runde der TeilnehmerInnen an. Anschließend stellen sich diese im Tagungsraum zu Teilgruppen auf nach verschiedenen Kriterien, die Frau Walter-Hamann (FWH) benennt, z.B.

  • Dauer des Besuchs einer Kreuz­bund­gruppe: 5 Jahre, 10 Jahre und mehr
  • in Baden geboren oder zugereist
  • Dauer der Anreise zum Tagungshaus
  • Anzahl der bisher besuchten Kreuzbund-Seminare.

Zum Einstieg in das Thema erläutert FWH den Ursprung des Mottos Neue Wege entstehen, wenn man sie geht… das – etwas abgewandelt – verschiedenen Personen zugeschrieben wird. Es scheint letztlich aber auf den spanischen Dichter Antonio Machado [1] zurückzugehen, der 1939 starb und dessen Gedichte in Spanien heute noch gelesen werden. Das Gedicht stellt FWH den TeilnehmerInnen zur Verfügung:

Unter Bezug auf das menschliche Leben wird in diesem Gedicht ausgesagt, dass die Wege, die wir gehen und gegangen sind, erst im Rückblick wirklich erkennbar sind, und nicht während man sie geht, d.h. Die Wege und die neuen Wege (im Sinne der persönlichen Veränderung) entstehen im Gehen und sie entstehen Schritt für Schritt.

In einem kurzen Austausch werden insbesondere folgende Punkte diskutiert:

  • Entscheidend ist oft, den ersten Schritt zu tun
  • Ich muss einen Sinn darin erkennen, etwas anderes zu tun als bisher
  • Es gehört eine große Portion Mut dazu, einen Weg zu gehen, den man letztlich nicht sehen kann oder nur in geringen Umrissen.
  • Meist verändern wir uns nur, wenn wir Druck haben, wenn es uns nicht gut geht, wenn etwas überhaupt nicht mehr gelingt oder nicht mehr passt.
  • Wir wollen einen roten Faden in unserem Leben erkennen, eine Zielrichtung und / oder einen Sinn, die uns leiten.

Im nächsten Schritt werden diese Nennungen systematischer erhoben:

Die TeilnehmerInnen sollen sich – auf der Grundlage ihrer bisherigen Erfahrungen – mit der folgenden Frage beschäftigen; die Antworten werden auf Karten festhalten.

Was brauchen wir, um einen neuen Weg gehen zu können?

  • Äußere Faktoren / Bedingungen
    • Äußere Veränderungen, die uns zur Anpassung herausfordern
    • äußere Veränderungen, die uns gar keine andere Wahl lassen als etwas zu verändern / uns anzupassen
    • Impulse / Anregungen von außen
    • unterstützende Rahmen­bedingungen
    • (z.B. Zeit; finanzieller Rahmen; Menschen, die unterstützen)
    • mit dem neuen Weg müssen neue Chancen verbunden sein
    • das Ziel muss attraktiv und / oder sinnvoll
    • sein
    • Zeit, um bereit für Neues zu sein und Neues auszuprobieren
    • einen „Spiegel“ von außen, der durch Rückmeldung unterstützt
  • Innere Faktoren / Bedingungen
    • Das Wissen, was ich bin und was ich will
    • das Wissen, was gut und richtig für mich ist
    • gewisser Selbstwert als Voraussetzung
    • die ersten Schritte können uns auf unserem Weg bestärken
    • etwas Neues zu wagen, kann den Selbstwert stärken
    • Selbst­bewusst­sein, Mut, Hoffnung, Neugier
    • Vertrauen in sich selbst
    • sich der Angst vor Veränderung stellen
    • die Bereitschaft, Altes loszulassen
    • die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen
    • Risiken abschätzen
    • Aushalten, dass nicht alle Vorhaben schnell und im gewünschten Maße realisiert werden können
    • Zufrieden sein mit den Schritten, die (jetzt) möglich sind
    • Entscheidungen können / dürfen auch verändert werden
    • Ziele und Entscheidungen müssen immer wieder an die aktuelle Situation angepasst werden
    • ich muss in der Umsetzung flexibel bleiben und darf nicht starr an etwas festhalten, was nicht funktioniert
    • ich brauche auch einen Plan B
    • ich muss mir Teilziele setzen
    • wichtig ist der erste Schritt!

Die TeilnehmerInnen sind positiv überrascht, wie viele Aspekte sie in kurzer Zeit zusammen getragen haben und wie vielfältig die Nennungen sind. Der Schwerpunkt der genannten Aspekte liegt eindeutig bei den inneren Faktoren, also den persönlichen Bedingungen für neue Wege und Veränderungen.

Im Austausch wird insbesondere die Bedeutung des Selbstwerts und des Selbst­bewusst­seins betont, um neue Wege beschreiten zu können; beschrieben wird auch, dass das mangelnde Zutrauen zu sich selbst oft daran hindert, eine Entscheidung zu treffen oder eine Veränderung einzuleiten, die schon längere Zeit als richtig und wichtig erkannt worden ist.

Arbeits­einheit 2:
Die eigenen Fähigkeiten und Stärken beschreiben – Selbstwert stärken!

Die Arbeits­einheit ist in drei Schritte unterteilt:

  1. Identifizieren der eigenen Fähigkeiten

    Die TeilnehmerInnen erhalten eine Liste mit Fähigkeiten und Stärken und sollen aus dieser Liste 12 bis 15 eigene Fähigkeiten ankreuzen.

    Wichtig dabei:

    • Die Liste ist nur als Anregung gedacht und kann niemals vollständig sein, daher sollen die TeilnehmerInnen weitere eigene Stärken ergänzen.
    • Die Fähigkeit, die ich mir zuschreibe, muss ich nicht beständig zeigen (niemand ist z.B. permanent mutig), sie soll aber schon als Eigenschaft erkennbar werden.
  2. Die eigenen Fähigkeiten präsentieren

    Die TeilnehmerInnen stellen sich individuell vor die Gruppe und beschreiben sich anhand der Fähigkeiten und Stärken, die sie im ersten Schritte gefunden haben.

    Die anderen TeilnehmerInnen werden um Rückmeldung gebeten, ob sie das beschrieben persönliche Profil als stimmig erleben. Dies ist bei allen TeilnehmerInnen der Fall; in der Regel werden in den Rückmeldungen noch einzelne Eigenschaften ergänzt und in die persönliche Beschreibung aufgenommen.

  3. Das eigene Profil gespiegelt bekommen

    Die TeilnehmerInnen finden sich zu Paaren zusammen.

    Die zwei TeilnehmerInnen sollen dem/der andern ihre Fähigkeiten und stärken als Rückmeldung spiegeln (Du bist eine Frau, die …; Du ist ein Mann, der ….).

    Dann werden die Rollen getauscht. Wichtig dabei ist:

    • Der Schwerpunkt liegt in der Übung darauf, was die Rückmeldung bewirkt, welche Gefühle sie auslöst; d.h. Die beiden TeilnehmerInnen sollen möglichst nicht in eine Diskussion über das Gehörte/Gesagte gehen.
    • Die Spiegelung der Fähigkeiten und Stärken kann auf Wunsch bis zu zwei Mal wiederholt werden.

Auswertung der gesamten Übung

  • Die TeilnehmerInnen erleben die einzelnen Schritte der Übung recht unter­schied­lich: die Identifizierung der Fähigkeiten und Stärken wird mehrheitlich als positiv erlebt. Die Präsentation des eigenen Profils und die Rückmeldung der Gruppe verursacht oft etwas Herzklopfen; doch die TeilnehmerInnen sind teilweise auch stolz, dass sie dies souverän geschafft haben.
  • Recht unter­schied­lich wird der letzte Schritt der Übung erlebt: einige TeilnehmerInnen nehmen den positiven Spiegel als sehr angenehmen wahr, als Bestärkung und Ermutigung. Anderen TeilnehmerInnen fällt es eher schwer, die positiven Rückmeldungen anzunehmen.
  • Übereinstimmung besteht jedoch darin, dass die Übung emotional berührt.
  • Positiv wird die klare Struktur in den aufeinander aufbauenden Schritten bewertet.

Arbeits­einheit 3:
Bearbeitung weiterer wichtiger Themenaspekte

Zunächst werden aus den Nennungen der Arbeits­einheit 1 die Themen abgeleitet, die wiederholt benannt worden sind und die als besonders wichtig bewertet werden, um „neue Wege gehen zu können“; dies sind:

  • Ziele finden und beschreiben
  • Ziele erreichen
  • Selbst­bewusst­sein stärken
  • Altes Loslassen
  • Sich Ängsten stellen
  • Spannung zwischen Vorhaben/Ziel und geringer Umsetzung überwinden
  • Plan für Umsetzung entwickeln.

Die Themen werden in Kleingruppen bearbeitet; die Ergebnisse werden in der Gesamtgruppe präsentiert und diskutiert:

Thema 1: Ziele finden und beschreiben

Die Gruppe bearbeitet das Thema anhand eines Beispiels: Durch Laufsport und Bewegung fit werden und Wohlbefinden gewinnen und stellt folgende Maßnahmen zusammen, um das Ziel zu erreichen:

  • bei den Krankenkassen anfragen, was es gibt und was bezahlt wird
  • abklären, ob es bereits Lauftreffs gibt
  • mit Arzt/Ärztin abklären, ob Laufen möglich ist / ob auf etwas geachtet werden muss
  • u.U. einem Verein beitreten – MitstreiterInnen und Gleichgesinnte finden
  • Aktivitäten in den Alltag einbauen
  • gemeinsame feste Termine vereinbaren
  • auf ein gleiches/ähnliches Leistungsniveau achten (Zufriedenheit für alle)
  • feste Termine für sich einplanen – das muss in das eigene Leben passen, darf keine ständige Störung sein.

In der Diskussion werden insbesondere folgende Punkte genannt:

  • Es hat sich als sinnvoll erwiesen, von einem konkreten Beispiel auszugehen; die gefundenen Schritte sind konkret, anschaulich und gut nachvollziehbar
  • Die einzelnen Aspekte (z.B. Infor­mationen einholen, auf die Zufriedenheit aller Beteiligten achten) sind gut auf andere Ziele übertragbar.
  • Sehr positiv und beachtenswert ist, dass das Ziel nicht eng gefasst auf Bewegung („Lauftreff“) gefasst wurde, sondern in den Zusammenhang von „fit werden“ und „Wohlbefinden“ gestellt wurde. Dies erweitert den Blick auf mögliche Maßnahmen.

Thema 2: Ziele gut erreichen

  • Die Erreichbarkeit des Ziels überprüfen („ist das Ziel realistisch“?)
  • das Ziel klar definieren
  • Teilziele und Etappen definieren
  • einen Zeitplan erstellen
  • Ziele und die Zielerreichung immer wieder überprüfen
  • passende Rahmen­bedingungen schaffen / berück­sichtigen, z.B. Zeitaufwand
  • sich belohnen, auch für die Erreichung von Teilzielen

In der Diskussion werden insbesondere folgende Punkte genannt:

  • Die beschriebenen Punkte werden als sehr hilfreich bewertet; besonders die wiederholte Überprüfung des Ziels.
  • Wichtig ist dabei auch, dass die Ziele und Teilziele verändert / angepasst werden, wenn sich z.B. Rahmen­bedingungen verändert haben oder erkennbar wird, dass das Ziel nicht wie ursprünglich erreicht werden kann.
  • Positiv ist der Aspekt der Anerkennung für das Erreichte und die Belohnung – auch für Teilziele.
  • Betont wird die Bedeutung des ersten Schrittes und die Unterteilung des Weges in Abschnitte; dann kann man sich auf die aktuelle Etappe konzentrieren und wird nicht entmutigt durch den Blick auf den langen und u.U. beschwerlichen Weg.

Thema 3: Selbst­bewusst­sein stärken

  • sich selbst wertvoll sein
  • sich trennen / distanzieren von Menschen/Bedingungen/Situationen, die nicht gut tun
  • achtsam mit sich umgehen
  • sich selbst akzeptieren,
  • Ängste überwinden idn Neues ausprobieren
  • zu seinen Entscheidungen stehen
  • den Mut finden, neue Wege zu gehen, auch in kleinen Etappen
  • sich besinnen, wo man steht
  • positive Rückmeldungen annehmen.

In der Diskussion werden insbesondere folgende Punkte genannt:

  • Als ganz wesentlich wird bewertet, sich selbst wertvoll zu sein
  • Selbst­bewusst­sein fällt einem nicht zu, oder man hat es nicht einfach, sondern auch Selbst­bewusst­sein muss geübt und immer wieder gestärkt werden
  • Wichtig ist, sich nicht abzuwerten, wenn etwas nicht gelingt
  • Keine Abwertungsspirale zulassen, sondern „den inneren Abwertungszirkel“ unterbrechen
  • Erfolge wahrnehmen und sich daran freuen, auch an kleinen Schritten
  • Ziele und Vorhaben so ausrichten, dass Erfolge möglich sind (sich realistische Ziele setzen)
  • FWH verweist auf ein sog. Erfolgstagebuch: jeden Abend sollen drei Dinge aufgeschrie-ben werden, die mir heute gut gelungen sind (auch kleine Dinge). Es konnte nachgewiesen werden, dass das Selbst­wert­gefühl der Versuchsgruppe nach ca. 2 Monaten gestärkt und verbessert war und dieser Effekt mehrere Monate lang angehalten hat.

Thema 4: Altes Loslassen

  • Sich fragen, „was macht es mir schwer, mich davon zu lösen, was hält mich?“
  • Halte ich an etwas fest, weil ich es einfach gewohnt bin?
  • Sich den Ängsten vor Neuem stellen
  • Wie ersetze ich das, was ich loslasse, wofür steht es?
  • Sich auseinandersetzen mit der Angst, andere zu verletzen
  • Unbewusstes loslassen, aber wie?
  • Einschränkung durch Depression, negative Gedanken, fehlende Energie
  • Was braucht man, um loszulassen?
  • Loslassen kann Abgeben bedeuten, andere etwas tun lassen
  • Loslassen kann bedeuten, neue Rollen zu übernehmen (z.B. erwachsene Kinder)
  • Veränderungen zulassen, sich nicht gegen Entwicklungen stemmen, die man nicht verhindern kann (Beispiel älter werden)
  • Was muss ich aber auch annehmen, weil es zu mir gehört?
  • Sich selbst und anderen Vertrauen entgegenbringen.

In der Diskussion werden insbesondere folgende Punkte genannt:

  • Wichtig ist, den Austausch zu suchen, Hilfe anzunehmen und von anderen zu lernen (FreundInnen, TherapeutInnen)
  • Dinge tun, die meinen Mut, meinen Optimismus und mein Selbstvertrauen bestärken
  • den eigenen Prozess begleiten, z.B. durch Aufschreiben: was ist mir wichtig, was ist muir gelungen, was fällt mir schwer, welche Gedanken und Gefühle kommen hoch)
  • Wo bin ich in 10 Jahren, wenn ich mir (keine) Ziele setze?
  • Es hat auch einen Preis, wenn ich mich nicht verändere, mir keine Ziele setze.

Thema 5: Spannung zwischen Vorhaben / Ziel und geringer Umsetzung – wie damit umgehen?

  • Am Anfang steht die Wahrnehmung/Erkenntnis, dass sich etwas ändern soll
    (so geht es nicht weiter, ausgelöst z.B. durch inneren Druck, Unzufriedenheit, Belastungen)
  • aktiv werden (z.B. Bewerbung schreiben, Wohnung suchen, sich trennen)
  • erste Schritte machen, aktiv werden, kann eine Bestärkung und Belohnung sein,
    dies stützt wiederum meine Motivation weiterzumachen
  • sich bewusst machen: man hat nichts zu verlieren
  • nicht aufgeben, wenn nicht alles glatt läuft, sondern sich kleine Schritte vornehmen
  • Austausch mit Gleichgesinnten
  • Ziel überprüfen:
    • stimmt das Ziel überhaupt noch?
    • Ist es das überhaupt das richtige Ziel?
    • Oder muss es angepasst werden?

In der Diskussion werden insbesondere folgende Punkte genannt:

  • Das Ziel immer wieder zu überprüfen und u.U. zu verändern oder anzupassen
    Diese Anpassung des Ziels darf nicht als Versagen oder Niederlage gesehen werden, sondern es gehört zu einem Veränderungsprozess, dass sich auch der Blick auf unser Ziel durch unsere Erfahrungen verändert oder verändern kann
  • Sich verschiedene Wege offenzuhalten, um das Ziel zu erreichen
  • Ziele in kleinere Schritte oder Abschnitte unterteilen, sonst verliert man zu schnell die Motivation
  • Unter­schied­lich bewertet wird, ob man tatsächlich nichts zu verlieren hat, oder ob man sehr wohl Verluste erlebt: dies hängt von der konkreten Situation ab, worum es geht und was überwiegt
  • Eine Gewinn-/Risiko-Abschätzung:
    • was möchte ich gewinnen?
    • was soll besser werden?
    • was kann ich verlieren?
    • kann ich das Verlustrisiko verringern?
  • Manchmal muss ich etwas verändern, obwohl damit schmerzhafte Verluste verbunden sind (z.B. Beziehung zu Kindern wird durch eine Trennung unterbrochen oder zumindest schwieriger)

In der Gruppe wird abgestimmt, dass für das Themas „Alte Ängste überwinden“ nicht ausreichend Zeit gegeben ist, um es in der gebotenen Ernsthaftigkeit zu behandeln; dies könnte sogar das Thema für ein ganzes Wochenende sein. Bearbeitet werden soll am letzten Seminartag noch das Thema „Planung, Plan erstellen“.

Arbeits­einheit 4:
Veränderungen planen

Am Anfang eines Veränderungsprozesses steht die Definition eines Zieles oder eines Vorhabens. Dazu wurde in den Kleingruppen an verschiedenen Stellen schon Einiges zusammengetragen. Um das Erreichen des Zieles zu unterstützen, muss die Formulierung des Zieles verschiedenen Kriterien entsprechen.

SMART-Methode: Ziele müssen „smart“ sein

SspezifischZiele müssen eindeutig formuliert werden, nicht vage, sondern möglichst präzise
MmessbarZiele müssen messbar sein
AattraktivZiele müssen für die Person ansprechend und wirklich erstrebenswert sein
RrealistischDas gesteckte Ziel muss möglich und realisierbar sein
TterminiertDas Ziel muss mit einem festen Datum versehen werden können.

Beispiel:

„Die Englisch-Prüfung am Ende des Monats möchte ich mindestens mit der Note 3 bestanden haben.“

Die SMART-Kriterien sind auch hilfreich für die Festlegung von Teilzielen, die verschiedene Prozess-Abschnitte beschreiben.

WOOP [2,3] – Methode (nur für einfache Ziele geeignet)

WWish
Wunsch
Am Anfang der Herzenswunsch:
was möchten Sie erreichen, was wünschen Sie sich?
OOutcome
Ergebnis
Was wird anders, wenn der Wunsch in Erfüllung geht?
Wie wird sich das auf Ihr Leben aus-wirken?
Was wird sich verbessern?
(hieraus ziehen Sie Energie für die Umsetzung und die Durst-strecken)
OObstacle
Hindernis
Was steht dem Ziel entgegen?
Sind des äußere Umstände oder
persönliche Muster, Eigenschaften Verhaltens­weisen?
PPlan
Plan
Wie kann ich den Hindernissen begegnen?
Was kann ich tun, um sie zu überwinden?

Die 6 Schwestern des Erfolgs in der Zielerreichung [4]

  1. Selbstreflexion:
    • Was sind meine Stärken und Schwächen?
    • Wie kann ich meine Stärken für die Zielerreichung nutzen?
      (und meine Schwächen auffangen)
    • Will ich das Ziel erreichen?
      Will ich es wirklich oder meine ich nur, dieses Ziel verfolgen zu müssen?
      Ist mein Motivation wirklich hoch?
    • Will ich das Ziel erreichen?
      Oder wollen im Grunde andere, dass ich an diesem Ziel arbeiten soll?
    • Will ich dieses Ziel erreichen?
      Habe ich vielleicht ganz andere Wünsche?
      gibt es Ziele, die mich viel mehr ansprechen?
  2. Beziehungen
    • Wer kann mich unterstützen, mich ermutigen, mir wohlwollend auch kritische Fragen stellen?
    • Wer hat wichtige Infor­mationen, die mir helfen?
    • Wer kann auf gute Weise TüröffnerIn sein?
  3. Zuversicht
    • Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten auf der Grundlage einer realistischen Selbsteinschätzung; Vertrauen, dass ich die richtigen Impulse und Unter­stützungen bekommen werde.
  4. Ausdauer
    • Ziele werden nicht immer in kurzer Zeit erreicht, und sie brauchen in der Regel eine gewisse Anstrengungen und Bemühung – darauf muss mich mich einstellen. Wie kann ich meine Ausdauer stärken? Was hilft mir, „bei der Stange zu bleiben“? Wie kann ich mich immer wieder motivieren?
  5. Pragmatismus
    • Bei aller Ausdauer nicht zu verkrampft an die Ziel herangehen:
      • wenn etwas nicht funktioniert, versuche einen anderen Weg
      • wenn etwas gut funktioniert, mach mehr davon.
    • Ziele zu überprüfen, sie ggfs. zu verändern, anzupassen oder gar neu zu formulieren, kann zu einem lebendigen Prozess gehören und hat nichts mit Versagen zu tun.
    • Sich nicht in Ziele und Wege verbeißen, sondern sich für tragfähige Alternativen offen halten.
    • der Lebensfluss ist kein geradliniger Kanal!
  6. Neugier
    • Neues lernen, offen sein für Neues hilft, auch für die eigene Entwicklung, kann helfen, mit Ausdauer und Zuversicht an etwas Neues heranzugehen.
    • Wenn schwerwiegende, auch schmerzhafte Entscheidungen anstehen, wird vielleicht weniger die Neugier der Kompass sein, sondern die Hoffnung und Zuversicht, dass ich irgendwann wieder eine bessere Situation für mich erreicht haben werde.

Steigerung der eigenen Zielstrebigkeit

a) positive Zielrichtung wählen

Man kann unterscheiden zwischen „weg-von-Zielen“ und „hin-zu-Zielen“. Letztere motivieren mehr und für längere Zeit, da sie positiv besetzt sind. Wer z.B. „weg von einigen Kilos“ möchte, scheitert leichter als die Person, die „hin zu einer gesunden Ernährung und mehr Wohlbefinden“ kommen möchte.

b) Ziele aufschreiben

Wer seine Ziele aufschreibt, steigert seine Erfolgsaussichten deutlich, denn die Ziele bleiben auf diese Weise im Bewusstsein und bestärken die eigene Motivation. Steigern kann man den Effekt durch das Schreiben eines Tagebuchs, das Erfolge und die Aus­einander­setzung mit Schwierig-keiten festhält und immer wieder zur Verfügung stellt.

c) Ziele veröffentlichen

Wenn ich Ziele veröffentliche, erzeuge ich mehr Verbindlichkeit und erhöhe die eigene Motivation.

Aber: relevante, unterstützende Personen auswählen!

d) Vorbilder suchen

Von Personen, die das Ziel, das sie anstreben, bereits erreicht haben, können Sie viel lernen – über ihre Erfolge und ihre Fehler. ABER: deren Strategien nicht blind übernehmen, sondern als Ansporn nutzen.

e) PessimistInnen meiden

Personen, die nur die Schwierig­keiten und Hindernisse sehen und dies grundsätzlich und ausschließlich, sind keine gute Unter­stützung! Personen, die Ihnen in einer realistischen Abschätzung helfen (was bekomme ich, welches Risiko ist damit verbunden bzw. auf was muss ich dabei achten?) sind dagegen sehr wertvoll, damit Sie zu einer tragfähigen und stimmigen Entscheidung kommen.

f) Erfolge belohnen

Auch erste und kleine Schritte, oder die Über­windung von Schwierig­keiten oder Durststrecken sind Erfolge. Dies zu sehen und sich zu belohnen, stärkt Ihr Selbst­bewusst­sein und Ihre Motivation.

Arbeits­einheit 5:
Überlegung zur Entwicklung von Plänen anhand persönlicher Beispiele

Zwei Teilnehmerinnen erklären sich bereit, ein Beispiel einzubringen; auf diese Weise können die Überlegungen zur Planung erfreulicherweise anhand der Beispiele anschaulich und konkret gemeinsam entwickelt werden.

Beispiel 1: Bewerbung einreichen für eine neue Ausbildung

TeilnehmerIn möchte sich im Sommer 2023 in … zu einer mehrjährige Ausbildung zur … anmelden. Das Ziel ist SMART, denn das Ziel ist

  • spezifisch, die Ausbildung in klar umrissen
  • messbar/überprüfbar, denn die Bewerbung wird eingereicht oder nicht
  • attraktiv, denn die Teilnehmerin möchte einen neuen Beruf ausüben, der reizvoll ist, da er viele Entwicklungsmöglichkeiten und eine bessere Bezahlung eröffnet
  • realistisch, denn die Teilnehmerin erfüllt die formalen Voraussetzungen, hat ein Praktikum absolviert und die Chancen der Aufnahme in die Ausbildungsstätte geprüft
  • terminierbar, denn die Anmeldung zur Ausbildung muss im Juli 2023 eingereicht werden

Zu klärende Fragen:

  • Welche Form der Ausbildung soll es sein: berufsbegleitend oder im schulischen Block
    • Welche Form liegt meiner Art zu lernen eher?
    • Welche Form passt zu meinen Rahmen­bedingungen besser (finanzielle Situation, Zeitaufwand, Distanz zwischen Schule und Einsatzort = Auto notwendig?)
    • Welche Form passt besser zu meiner persönlichen Situation (Familie, Freundeskreis, Wohnsituation)?
  • Was brauche ich für die Anmeldung
    • Zeugnisse, Bewerbungsunterlagen, Praktikumsnachweise, Nachweis über Stelle zur praktischen Ausbildung,…
    • Welche dieser Unterlagen habe ich bereits, welche brauche ich noch, woher bekomme ich sie und bis wann? Was muss ich in die Wege leiten, damit ich die noch fehlenden Unterlagen rechtzeitig bekomme?
  • Brauche ich Unter­stützung für die eigentliche Bewerbung
    • Wenn ja: Wer hat Erfahrung mit Bewerbungen und könnte mich unterstützen?
    • An wen kann ich mich wenden, wenn unerwartete Fragen auftauchen?
  • Zeitplanung (vom Ende her denken)
    • Wann muss die Bewerbung definitiv eingereicht werden (Bewerbungsschluss)?
    • Wieviel zeitlichen Puffer möchte ich einbauen, damit ich nicht unter Druck komme (z.B. Bewerbung soll spätestens 10 Tage von Fristende fertig sein?)
    • Kommen die noch ausstehenden Unterlagen rechtzeitig? Muss ich „nachhaken“? Kann ich im „Ernstfall“ etwas nachreichen = ggfs. rechtzeitig abklären?
  • Was passiert im schlimmsten Fall – die Bewerbung gelingt nicht in der erforderlichen Zeit
    • Abklären: kann ich wenig später noch einreichen?
    • Wann ist die nächste Bewerbung möglich? Kann ich die Zeit sinnvoll und gut über- brücken? (Arbeit, Geld, Wohnung?)

Beispiel 2: Kein Erbe von der Mutter

Die Mutter lebte in Frankreich, es bestand wenig Kontakt zwischen Mutter und Tochter. Nach dem Tod der Mutter erfährt die Tochter, dass sie vom Erbe ausgeschlossen wurde. Der Ausschluss vom Erbe ist belastend, da die Tochter zum einen mit einem Geldbetrag gerechnet hat; vor allem kommen massive persönliche Zweifel auf (Was habe ich meiner Mutter bedeutet).

Wichtig zu unterscheiden sind die

  • Sachebene:
    wie komme ich zu meinem Recht im Sinne des Pflichtteils am Erbe
  • Persönliche Ebene:
    was bedeutet es für mich, dass meine Mutter mir nichts hinterlassen wollte
    Wie kann ich die Enttäuschung darüber verarbeiten

Diese Unterscheidung ist wichtig, um handlungsfähig zu bleiben. Gerade wenn sachliche Fragen und persönliche Betroffenheit sich vermengen und überlagern, werden Situationen oft als nicht mehr lösbar erlebt. Daher kann die Unterscheidung hilfreich sein, denn die Handlungsansätze unterscheiden sich zwischen beiden Ebenen.

Die Regelung der Sachebene kann durchaus schon eine gewisse Entlastung bringen, da man sich wieder handlungsfähig erlebt und nicht mehr ohnmächtig/hilflos.

Sachebene in dieser Fall:

  • Will ich mich für meine sachlichen Rechte einsetzen
  • Wenn ja, Ansprüche und Rechte rechtzeitig geltend machen (sind Fristen einzuhalten?)
  • Da die Sachlage spezielle Kompetenzen erforderlich macht und möglicherweise Fristen beachtet werden müssen, so rasch wie möglich anwaltschaftliche Unter­stützung in Anspruch nehmen
  • Anwalt braucht Kompetenzen im deutschen und französischen Erbrecht
  • Die konkrete Planung muss hier über den Anwalt erfolgen
    Welche Schritte müssen bis wann von wem eingeleitet werden
    Beratung über Risiken und Erfolgsaussichten

Persönliche Ebene:

  • Der Prozess der persönlichen Verarbeitung einer Enttäuschung / seelsichen Erschütterung kann im engeren Sinne nicht geplant werden. Aber ich kann klären, wie ich grundsätzlich
  • vorgehen möchte.
  • Bewertung der Situation
  • * Wie stark ist meine seelische Beeinträchtigung und/oder die des Allgemeinbefindens?
  • * Wie lange dauert sie schon an?
  • * Kann ich Veränderungen/Verbesserungen der Situation erkennen oder nicht?
  • * Wächst mein Zutrauen, die Situation gut zu bewältigen oder nicht?
  • * Welche Rückmeldungen bekomme ich aus meinem Umfeld?
  • Aktuelle persönliche Enttäuschungen können frühere Verletzungen berühren und wieder aktivieren: es kann sein, dass sich meine Reaktion nicht nur auf die aktuelle Enttäuschung bezieht, sondern auch auf die früheren Beeinträchtigungen/Verletzungen.
  • Gerade wenn sich die Reaktionen lange Zeit nicht verändern, wenn „die Gedanken einen nicht mehr loslassen“, wenn es eine schwierige Vorgeschichte mit der betreffenden Person gibt, können das Hinweis darauf sein, dass tieferliegende Probleme aufgebrochen sind.
  • Auch wenn dies zunächst schmerzhaft ist, besteht dadurch auch immer die Chance, etwas aufzuarbeiten und mit der Zeit mehr „inneren Frieden“ zu finden.
  • Zu klären ist dann, ob externe Hilfe in Anspruch genommen werden soll (reicht dazu eine Person des Vertrauens oder braucht es berufliche Unter­stützung durch Arzt/Ärztin oder TherapeutIn?).

Auswertung des Seminars

Anhand folgender Fragen:

  • Was war neu für mich
  • Was hat sich bestätigt / wurde in Erinnerung gebracht
  • Was hat mich berührt
  • Was nehme ich persönlich mit

(die persönlichen Rückmeldungen der TeilnehmerInnen werden hier nicht dokumentiert)

  • In der allgemeinen Auswertung zeigen sich die TeilnehmerInnen insgesamt sehr zufrieden mit dem Verlauf und den erarbeiteten Ergebnissen des Seminars
  • Positiv wird die klare und transparente Struktur des Seminars bewertet
  • Auch die konkreten Instrumente und Hinweise werden als sehr unterstützend erlebt
  • Auch wenn die Überlegungen zu Zielen für einige TeilnehmerInnen nicht neu waren, haben sie doch manches wieder in Erinnerung gebracht und bestärkt
  • Mehrere TeilnehmerInnen wollen insbesondere des Erfolgstagebuch ausprobieren
  • Hervorgehoben wird das gute Miteinander und die vertrauensvolle Atmosphäre, die sich im Kreuzbund auch in wechselnder Zusammensetzung immer wieder rasch herstellt
  • Einige TeilnehmerInnen fühlen sich durch das Seminar persönlich gestärkt und ermutigt in ihrem Zutrauen zu sich selbst, aber auch in dem Bewusstsein, auf dem richtigen Weg zu sein

Herr Häring schließt das Seminar mit Dank an Frau Walter-Hamann für die zielführende Leitung und Moderation. Frau Walter-Hamann dankt Herrn Häring und allen TeilnehmerInnen für die engagierte Mitarbeit und die vertrauensvolle Aufnahme in der Gruppe.

Weblinks

[1] Wikipedia: Antonio Machado

[2] WOOP my life

[4] Karrierebibel: Zielstrebigkeit – Ziele erreichen

Literatur

[3] Gabriele Oettingen, Die Psychologie des Gelingens; Droemer Taschenbuch (2017); ISBN 978-3-426-30138-8