Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Gruppenleitungs-Arbeitstagung II 2022

Zeit28.–30.10.2022
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaUnter­schied­liche Suchtformen
ReferentWolfgang Indlekofer, Rehaklinik Freiolsheim
BerichtFriedrich Mey
BilderFriedrich Mey

Die Aus­einander­setzung mit unter­schied­lichen Suchtformen bedeutet zum einen, sich mit diesen zu beschäftigen. Vor allem bedeutet es jedoch, Menschen zu begegnen, die aus anderen Lebenswelten kommen, vielleicht andere Werteorientierungen haben und möglicherweise auch ungewöhnliche Wege gehen, eine Sucht­erkrankung zu bewältigen.

Sich diesem Neuen zu stellen, erfordert Toleranz und Flexibilität. Dabei ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und ernst zu nehmen.

Der Konsum von Sucht­mitteln hat sich im Laufe der Jahre verändert. Sehr oft werden zeitgleich mehrere stoffgebundene Suchtmittel konsumiert.

Fakten zum Sucht­mittelkonsum 2022

Urinproben werden heute auf 5.000 Stoffe hin untersucht. Der Drogenmarkt besteht heute in wesentlichen Teilen aus chemisch zusammengesetzten Stoffen, die in aller Regel über das Internet angeboten und verkauft werden. Die Zusammensetzung der Stoffe ist meistens unbekannt. Deren Herstellung erfolgt in illegalen Laboren.

Bei den Sucht­mitteln Alkohol und Heroin ist ein Preisverfall festzustellen. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts waren für 1g Heroin ca. 300—500 DM aufzuwenden, heute kostet die gleiche Menge ca. 30€.

Für 1g Kokain sind ca. 50—80 € zu entrichten, für Cannabis erfolgte der geringste Preisverfall.

Die Suchtmittel werden heute oft über das Internet verkauft, die Anbieter sitzen im Ausland.

Das Internet, Wettbüros und Spielhallen fördern nicht stoffgebundene Süchte.

Wie hat sich Abhängig­keit in den letzten Jahren entwickelt

  • Immer mehr junge Menschen gehen heute vernünftig mit Sucht­mitteln um
  • Wer konsumiert, steigt immer früher ein: regelmäßiger Konsum schon mit 14—16 Jahren
  • Der Anteil der exzessiv Konsumierenden hat zugenommen
  • Sucht wird immer mehr ein Problem der Herkunft und der sozialen Schicht

Suchtmittel Konsumverhalten junger Menschen (14–18 Jahre)

1972
2022

  Nicht-   Risiko-   Gefährdender Konsum

Die Frage nach der Verortung des Suchtgedächtnisses[1] konnte mit der Einführung der MRT-Geräte (MRT = Magnetresonanztomographie) abschließend beantwortet werden. Das Suchtgedächtnis besteht aus Verbindungen (Netzwerk) zwischen unter­schied­lichen Zentren im Gehirn, und kann auch bei Alkoholabhängigen nachgewiesen werden, die mehr als 10 Jahre trocken sind.

Das Suchtgedächtnis ist persistent und lässt sich nicht löschen im klassischen Sinne. Auch bei unter­schied­lichen Sucht­mitteln ist es zu ca. 90% deckungsgleich. Das Suchtgedächtnis ist ein Lernvorgang durch Übung, Wirkung und Belohnung ⇨ Training.

Die Neuroplastizität [2] des Gehirns ist in der Kindheit und Jugend am besten ausgebildet. Insofern entwickelt sich in diesem Alter das Suchtgedächtnis deutlich schneller. Die Neuroplastizität nimmt ab einem Alter von 19 Jahren merklich ab.

Das früheste Modell bildet das Elternhaus. Ab der Pubertät wird dann der Freundeskreis zunehmend wichtig.

Die Vorbildwirkung des Elternhauses spielt zunächst eine große Rolle. Der spätere Freundeskreis bildet dann die nächste, suchtbezogene Vorbildwirkung – Gruppendruck, Gruppenzwang. Darum sollten Eltern Jugendliche im Alter von 13 – 16 Jahren möglichst bei Kontakten begleiten und einen Überblick über die den Freundeskreis behalten.

Suchtmittel haben kurzfristig positive Konsequenzen. Die langfristigen Konsequenzen sind Negative

Menschen ohne Fähigkeiten zum Belohnungsaufschub sind besonders gefährdet. In der Prävention wird heute die These verbreitet, Suchtmittel sind toll. Den Kindern wird beigebracht, dass Suchtmittel kurzfristige Vorteile haben. Nachteilig sind aber die langfristigen negativen Folgen.

Es gibt kein Sucht-Gen, aber Veranlagungen und Eigenschaften, welche das Risiko abhängig zu werden erhöhen.

Sucht wird nicht vererbt, aber bestehende Veranlagungen oder Eigenschaften können ausschlaggebend sein. Faktoren, die eher für ein Suchtabhängigkeitsrisiko stehen, sind:

  • Risikobereitschaft, Experimentierfreudigkeit, Grenzen überschreiten
  • Ängstlichkeit, zögerndes und vorsichtiges Verhalten

Die wichtigsten Suchtmittel

Nikotin [3]

Rauchen stellt die zentrale Einstiegsdroge dar und hat neben Heroin mit das höchste Abhängig­keitspotential aller Drogen. Rauchen als zentrale Einstiegsdroge macht ca. 50 % des Suchtgedächtnisses aus.

Die weiteren 50% sind der „berauschende“ Bereich. Wer das Rauchen nicht beginnt, wird später mit hoher Wahrscheinlichkeit weder drogen­abhängig noch alkoholabhängig.

Suchtprävention heißt, frühzeitig auf einen gesunden Körper zu achten. Es sterben in Deutschland jährlich 127.000 Menschen aufgrund direktem Nikotinkonsum [4]. Das sind ca. 350 Menschen pro Tag.

Alkohol [5]

Alkohol ist und bleibt die Droge Nr. 1. Alkohol macht nicht rasch abhängig, eine Abhängig­keit entwickelt sich erst über Jahre.

Cannabis [6]

Cannabis / Haschisch ist die am meisten unterschätzte Droge. Die Konzentration des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) hat sich in den letzten 20 Jahren um das bis zu 8-fache erhöht.

Täglicher Cannabis-Konsum führt bei vielen Konsumenten zu Depressivität, Antriebsarmut und Rückzug, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen. Die Folgen sind nur teilweise reversibel.

Amphetamine [7]

Amphetamine wirken aufputschend, leistungssteigernd ud euphorisierend. Typisch sind rasche psychische Abhängig­keit und Dosissteigerung.

Es gibt zahlreiche Derivate (Ritalin, Chrystal, Ecstasy / MDMA, diverse Partydrogen).

Kokain [8]

Kokain ist vergleichbar mit Amphetamin, aber intensiver, teurer, aphrodisierend, rasche psychische Abhängig­keit, Crack, als extremste Konsumform.

Neue psychoaktive Substanzen (NPS) [9]

Spice, Badesalze, Kräutermischungen, Research Chemicals als gängige Bezeichnung. Vertrieb häufig über das Internet. Wirkung kaum vorhersehbar, die Stoffe sind nicht mal an Ratten getestet. Über Drogentests kaum nachweisbar.

Medikamente

Missbrauch von starken Schmerzmitteln, Barbituraten, Benzodiazepinen und Antidepressiva sind heute bei Drogen­abhängigen eher Standard als Ausnahme.

Weblinks

[1] https://suchtfrei-leben.de/suchtgedaechtnis/

[2] Wikipedia: Neuronale Platizität

[3] Wikipedia: Nicotin

[4] Bundesministerium für Gesundheit:: Rauchen

[5] Wikipedia: Alkohol­krankheit

[6] Wikipedia: Cannabis als Rauschmittel

[7] Wikipedia: Amphetamin

[8] Wikipedia: Kokain

[9] Wikipedia: Neue psychoaktive Substanzen