Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Paar Seminar 2022

Zeit8.–10.7.2022
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaHalten wir uns noch aus
ReferentThomas Cramer, MEDIAN Klinik Wied
BerichtDagmar Häring-Sinn
BilderGerhard Häring

Nach einem gemeinsamen Abendessen begann unser Seminar am Freitagabend, 19 Uhr. Wir machten eine ausführliche Vorstellungs­runde. Jeder erzählte von sich und seiner eigenen Geschichte und dem Zeitpunkt des Beginns der gemeinsamen Beziehung. Jeder kam zu Wort, es gab keine zeitliche Begrenzung.

Dadurch konnten wir uns ein erstes Bild über die anderen Paare machen. Diese Gespräche wurden mit einer Offenheit geführt, die ihresgleichen sucht. Wir sammelten zum Schluss des Abends noch Themen, die wir gerne besprechen würden.

Es ging um:

  • Selbstwert
  • Kommuni­kation
  • Lob – auch Selbstlob

Was spielt alles in meine Beziehung mit hinein, außer den oben genannten Dingen?

  • Veränderungen in der Beziehung – von rosaroter Brille bis Alltag
  • Gemeinsamkeiten mit dem Partner
  • Individualität des Partners
  • Das Umfeld, z.B. Familie, Freunde, ArbeitskollegInnen

Ein gutes Beispiel für Veränderungen in der Beziehung ist ein süchtiger Partner und sein Angehöriger. Eine solche Beziehung ist von Anfang an eine Beziehung zu dritt. Das Suchtmittel ist in der Beziehung allgegenwärtig und regelt damit diese Beziehung. Fällt dann das Suchtmittel weg, muss die Beziehung ganz neu geregelt werden. Es treten Streitpunkte auf. Fragen wie

  • Wie sprichst du eigentlich mit mir
  • Was willst du denn konkret eigentlich von mir

Ein guter Weg, da wieder rauszukommen, bedeutet, dass jeder der Partner als Individuum viel für sich selbst tut, z.B. unter vielem anderen, einen Psychologen aufsucht. Auf diese Weise bekommt man eine andere Sicht auf die Beziehung und kann Kompromisse finden. Eine andere Voraussetzung ist absolute Ehrlichkeit gegenüber dem Partner. Seine eigenen Vorstellungen und Wünsche zu benennen. Kommuni­kation ist hier alles.

Eine andere Gefahr für eine Beziehung ist das Absetzen der rosaroten Brille, der Alltag ist da. Kann ich auch im Alltag mit meinem Partner leben? Akzeptiere ich seine Ecken und Kanten? An diesem Punkt stellt sich heraus, ob aus der ersten Verliebtheit eine Liebe geworden ist.

Mit Liebe im Herzen kann man über alles diskutieren.

Abstinenz

Für alle Dinge, die im Seminar besprochen wurden, ist Abstinenz die Grundvoraussetzung. Abstinenz ist nicht nur der Verzicht auf das Suchtmittel. Abstinenz bedeutet: ich führe ein selbstbestimmtes Leben, kann schauen, was ich will oder nicht und kann mir auf diese Weise mein Leben einrichten.

Es tauchte die Frage auf, ob man auf medika­mentöser Ebene abstinent werden kann. Es gibt definitiv keine Medikamente, die die Sucht beenden. Trotzdem werden immer wieder sogenannte Hilfsmedikamente verschrieben. Medikamente können nur unterstützend wirken, z.B. Subutex bei Heroinabhängigkeit. Es ist sozusagen ein Ersatz für die Sucht.

Das Medikament Antabus unterstützt die Abstinenz, ist eine Argumentationshilfe gegen das Suchtgedächtnis: ich kann nicht. Trotzdem kommt es vor, dass das Mittel vom Süchtigen bewusst abgesetzt wird, um dann nach einiger Zeit wieder trinken zu können. Das heißt, jeder muss aus sich selbst heraus im Inneren abstinent werden.

Abstinenz allein reicht aber nicht aus, um auf die Dauer sucht­mittelfrei zu leben. Es ist harte Arbeit an sich selbst, um Frieden und Zufriedenheit in seinem Leben zu finden.

Daher gilt es, an seinem Selbstbild zu arbeiten. Das Ziel einer Reha ist herauszufinden:

  • Wie bin ich
  • Wie bin ich so geworden
  • Wohin möchte ich

Man hat herausgefunden, dass Kinder im Mutterleib schon lernen. Sie machen Vorerfahrungen. Der andere Anteil des späteren Wesens ist Vererbung. Somit können Babys auf die Welt kommen, die sich schon in ihren Vorerfahrungen unterscheiden.

Beim Selbstbild / Selbstwert möchte man einfach gemocht werden. Je mehr man mich mag, desto besser ist mein Selbstbild und somit auch mein Selbstwertempfinden. So denken wir oft. Wir schwanken auf einer Skala zwischen nicht liebenswert und liebenswert. Das Selbstbild kann man verbessern, indem man lernt, Lob auch anzunehmen, zu sehen, dass es gerechtfertigt ist.

Manche Menschen möchten sich auch liebenswerter machen durch viel Leistung. Oder übertrieben hilfsbereit zu sein, um dafür zu sorgen, dass sie gemocht werden.

Ausnahme hiervon ist ein Narzisst. Er ist durch seine Persönlich­keits­störung von Grund auf sehr selbst­bewusst. Er stellt sich immer sehr gut dar, kann eloquent reden, hält sich selbst für den Größten. Er gibt ständig damit an, was er alles kann, getan hat und ist.

Kommuni­kation

Das beste Mittel sich im sozialen Leben zu verstehen und zu interagieren ist die Kommuni­kation. Es gibt verschiedene Arten der Kommuni­kation. Hier betrachten wir die Ergebnisse von Friedrich Scholz von Thun:

  • Sachebene
  • Selbstkundgabe
  • Beziehungsebene
  • Appell Ebene

Beispiel für die Sachebene und Beziehungsebene

Ein Mann bereitet ein sehr gutes Essen, kauft in speziellen Läden die Lieblingszutaten seiner Frau ein, deckt den Tisch wunderbar ein und stellt auch Kerzen auf den Tisch. Die Frau kommt nicht zur verabredeten Zeit, sondern zwei Stunden später. Der Mann ist bittersauer und macht seiner Frau große Vorwürfe z.B. auch, warum sie ihn nicht informiert hat. Er befindet sich auf der Beziehungsebene: Die Frau versucht zu erklären, warum und weshalb sie sich verspätet hat. Somit befindet sie sich auf der Sachebene. Er ist aber voll auf der Beziehungsebene und glaubt sich im Recht. Lösung: die Frau begibt sich auf die Beziehungsebene und sagt ihm, dass sie es toll findet und auch sieht, wie großartig und liebevoll er das gemacht hat.

Beispiel Selbstkundgabe

Jemand sagt: Mein Gott, die Briefmarkensammler. Solche Menschen muss es auch geben! Welche Selbstkundgabe wird hier gemacht? Die Person wertet Briefmarkensammler ab und zeigt sich somit selbst als intoleranter Mensch.

Beispiel Appell Ebene

Vater ist Choleriker. Familie schaut sofort, wenn er heimkommt, wie sein Gesicht aussieht. Mit was müssen wir rechnen? Hier tut die Familie alles, um den Choleriker nicht zu reizen, damit das Schlagen nicht so schlimm wird.

Oder Mutter hatte einen Herzinfarkt. Hier wird alles versucht, um die Mutter mit Nichts zu belasten. Wenn sie nur sagt: mir ist warm, stürzt die ganze Familie zu den Fenstern, um sie aufzureißen.

Im Allgemeinen gilt bei der Kommuni­kation auch auf verschiedene Sachverhalte Rücksicht zu nehmen. Auf welcher Ebene ist jemand z.B. besonders empfindlich? Auf welcher Ebene ist jemand besonders hellhörig aufgrund von Vorerfahrungen?

Gewaltfreie Kommuni­kation

Die Gewaltfreie Kommuni­kation bezeichnet ein Handlungskonzept, welches von Marshal Rosenberg entwickelt wurde.

Sie sollte eine Lebensweise sein:

  • Ich will anderen nicht weh tun, nichts antun
  • Ich will wertschätzend mit anderen umgehen
  • Ich will das Tun der anderen nicht abwerten
  • Ich möchte entsprechend der Situation gut reagieren
  • Ich möchte trotzdem meine Meinung sagen, ohne andere zu verletzen.

Körpersprache

Die Körpersprache kann ein Indiz für die unbewusste Kommuni­kation des Gegenübers sein. Wenn man z.B. auf einem Stuhl sitzt, hat man den Kopf und Gesicht ganz gut unter Kontrolle. Den Oberkörper auch noch einigermaßen. Bei Armen und Händen wird es schon schwieriger. Und je weiter es im Körper nach unten geht, desto schwieriger wird es, ihn zu kontrollieren. Wenn mein Gegenüber ständig mit dem Fuß wippt, deutet das auf Nervosität hin.

 

Bei der anschließenden Klein­gruppen­arbeit wurde die Frage Was gefällt mir an meinem Partner untersucht:

  • Ich habe eine Heimat gefunden
  • Er hat Geduld
  • Er hat Verständnis
  • Er ist ehrlich und offen
  • Ich kann ihm vertrauen
  • Fels in der Brandung
  • Sein Aussehen
  • Sex mit ihm
  • Er ist meistens gut gelaunt
  • Hat Humor und kann auch über sich selbst lachen

Am Sonntag wurden noch Wünsche an den Partner besprochen. Wahrscheinlich aufgrund der vorausgegangenen Hervorhebung der guten Eigenschaften des Partners, wurden nicht wirklich viele Wünsche bis gar keine geäußert. Wir beschlossen jedoch, nach dem Seminar, die einzelnen Bedürfnisse gemeinsam unter einen Hut zu bringen. Wie es geht, haben wir bei diesem Seminar gelernt.