Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Allgemeines Seminar II 2022

Zeit22.–24.7.2022
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaAchtsamer Umgang mit sich selbst
ReferentKlaus E. Harter, ehem. PSB Sigmaringen
BerichtFriedrich Mey
BilderFriedrich Mey

Suchtkranke und deren Angehörige stehen vor der Heraus­forderung, Schritte raus aus der Krankheit hin zur Genesung zu unternehmen. Hierbei ist die Hinwendung zu sich selbst ein essentieller Faktor. Dies beinhaltet die bewusste Wahrnehmung der eigenen Person mit den dazugehörenden Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen.

Damit eine Analyse der Gruppe der Teil­nehmenden vorgenommen werden kann, werden diese gebeten, sich zunächst anhand der Frage­stellung zu positionieren, wie oft bereits die Teilnahme an einem Seminar des Kreuzbundes erfolgt ist.

Dann wurde ein Papierblatt mit einem ovalen Kreis ausgehändigt. Die Teil­nehmenden sollten als Ist-Analyse ihre indi­viduellen Zeitanteile von Arbeit, Freizeit und Beziehung darin abbilden (Work-Life-Balance, WLB). Diese aktuelle WLB sollte dann mit einer Schulnote (1-6) bewertet und die Bewertung begründet werden.

Danach sollte die Teil­nehmenden eine Idealvorstellung ihrer indi­viduellen WLB in drei Jahren abbilden und erläutern, wie sie diese Idealvorstellung erreichen können. Das war dann die Grundlage für das weitere Vorgehen. Die aufgezeigten Befindlichkeiten sollen durch Rollenspiele näher betrachtet werden. Vier Teil­nehmende waren bereit, ihre Lebens­geschichte einzubringen und einen Leitsatz dazu zu formulieren.

1. Rollenspiel

Für das erste Rollenspiel werden folgende Botschaften artikuliert:

  • Eigentlich geht es mir gut (materiell, Gesundheit)
  • Wo ist meine Herzenssache für die ich brennen möchte

Diese Botschaften werden durch weitere Teil­nehmende personifiziert. Die Suche nach dem indi­viduellen Hunger (Herzenssache) stellt den Hintergrund der weiteren Handlung dar. Hierbei wird die Frage nach dem Vorhandensein einer möglichen „Menükarte“ aufgeworfen. Die Suche gestaltet sich zunächst schwierig. Ein Rucksack, gefüllt mit Gegenständen, findet Verwendung. Die Gegenstände werden in symbolischer Hinsicht angeordnet: Gelbes Tuch = Leben; rotes Tuch = Liebe; Seil = Draht zu anderen und zu Gott; Block + Stift = geistige Betätigung; brennende Kerze = das Licht).

Eine in der Kindheit regelmäßig auf­ge­tretene Kernaussage ist die Ursache für die Ist-Situation. Der Vater hatte diese Kernaussage stets auf den Lippen. Die Rolle des Vaters wird ebenfalls personifiziert. Dessen „Selbstkonzept“ ist vererbt und somit übernommen worden. Gegenüber dem Vater wird dessen Verhalten einer kritischen Betrachtung unterzogen. Die damit verbundene Intention ist dahingehend zu verstehen, den Bann / Fluch zu durchbrechen. Aufgrund der Verhaltens­weise des Vaters war nur Druck, Enge und Zwang zu verspüren, nie etwas Befreiendes. Wünsche an den Vater werden formuliert, wie er idealerweise sich hätte verhalten sollen.

In der Folge wird ein Feedback seitens des Auditoriums und denjenigen, welche eine Rolle übernommen hatten, durchgeführt.

2. Rollenspiel

Die Beziehung zwischen Sohn und den Eltern bildet den Hintergrund für die zweite Spielsequenz. Der Sohn möchte, dass die Beziehung auf der Gefühlsebene gelebt wird. Er traut sich, seine Erwartungen zu formulieren, begegnet aber großem Schweigen. Das Verhalten des Vaters gründet in Erlebnissen aus dessen Kindheit, er konnte sich mit seinem Vater auch nicht aussprechen. Der Vater zeigt also die selbst erlebten Verhaltens­weisen. Der Sohn wirft dem Vater vor, warum er diesen in seiner Rolle niemals wahrnehmen konnte. Das Idealbild eines Vaters wird skizziert und in der Folge ebenfalls personifiziert. Der Wunsch-Vater vermittelt Gefühle und ist einfühlsam.

Das erlebte Verhalten der Mutter wird einer weiteren vertiefenden Betrachtung unterzogen. Sie hat nur funktioniert, sich aber nie wirklich für den Sohn interessiert. Im Kontext der Berufswahl durch den Sohn haben die Eltern die Weichen gestellt. Er wurde nie nach seinen Wünschen gefragt. Die „Wunsch-Mutter“ wird ebenfalls personifiziert. Sie artikuliert Gefühle und ist stolz auf den Sohn.

Der Sohn hat von den Eltern keinerlei Zuneigung erfahren. Er formuliert seine Erwartungen. Er fühlt sich als das „schwarze Schaf“ in der Familie. Der Bruder wird als das Idealbild dargestellt, so empfindet es der Sohn.

Die Mutter (Original) war nicht in der Lage ein anderes Umgehen mit dem Sohn zu pflegen. Der Sohn resümiert, eine Entschuldigung wäre zu einfach. Vieles ist kaputtgegangen. Er erwartet nicht nur Worte, sondern Taten.

Die Kraft des Sohnes wird weiter personifiziert. Er hat sich mit eigener Kraft aus dem Dunstkreis der Eltern befreit.

In der Folge wird ein Feedback seitens des Auditoriums und denjenigen, welche eine Rolle übernommen hatten, durchgeführt.

3. Rollenspiel

Die dritte Spielsequenz befasst sich mit Kindheitserlebnissen, die letztendlich mit Auslöser der Suchtthematik waren. Eine Teil­nehmende schlüpft in die Rolle der Betreffenden als Kind. Deren Großeltern (Oma und Opa), mit denen eine enge Bindung besteht, werden ebenfalls personifiziert. Von der Mutter sind regelmäßig Vor­haltungen formuliert worden: "falle keinem zur Last"; "du bist nichts wert". Die Mutter, welche ebenfalls personifiziert wird, hatte selber auch eine schwierige Kindheit und hat hierbei keinerlei Liebe und Zuneigung erfahren. Insofern fällt es ihr schwer Liebe und Zuneigung der Tochter gegenüber zu zeigen. Sie erwartet aber die Unter­stützung durch die Tochter.

Die "kleine Person" der Betreffenden wurde hintenangestellt und verdrängt. Erst in einem späteren Stadium erfolgt die Beschäftigung und Aus­einander­setzung mit diesem Aspekt der Persönlichkeit. Die "kleine Person" möchte geliebt werden.

Die Betreffende hat selber eine Tochter, um deren Wohlergehen sie stets bemüht ist. Das erlebte Verhaltensmuster der Mutter wirkt bei der Betreffenden nach. Befürchtungen werden geäußert, das bereits thematisierte Verhaltensmuster wird übernommen.

Im Kontext der Aus­einander­setzung mit der "kleinen Person" erwachsen Kräfte, Quellen und Fähigkeiten, die als essentielle Basis für das weitere Leben herangezogen werden können.

In der Folge wird wiederum ein Feedback seitens des Auditoriums und denjenigen, welche eine Rolle übernommen hatten, durchgeführt.

4. Rollenspiel

Erlebnisse in der Kindheit haben zu Traumata geführt. Diese Situation bildet den Hintergrund für die vierte Spielsequenz. Innere Stimmen werden personifiziert: "ich glaube an mich selbst"; "ich bin ruhig"; "ich verarsche mich selbst". Die unter­schied­lichen inneren Stimmen führen zu einem Spannungsfeld. Das Spannungsfeld erreicht eine solche Dramaturgie, dass eine Fortsetzung des Rollenspiels nicht mehr opportun ist.

Der Abbruch des Rollenspiels ist als Beitrag zum achtsamen, indi­viduellen Umgang zu interpretieren. Im Rahmen des folgenden Feedbacks wird durchgängig Verständnis für die erfolgte Handlungsweise artikuliert.

5. Rollenspiel

Das fünfte Rollenspiel im Kontext des Seminars befasst sich mit einer Persönlichkeit, bei der Depressionen und Verlustängste einen großen Raum einnehmen. Die positiven Aspekte einer "Wunsch-Persönlichkeit" werden in personifizierter Form dargestellt: Selbst­bewusst­sein, Gelassenheit, Kraft, Ruhe, Selbstliebe usw. Die "Wunsch-Persönlichkeit" mit den genannten positiven Aspekten wendet sich gegen "Depression" und "Verlustängste" (die beide ebenfalls personifiziert sind). Die Depressionen und Verlustängste werden weggeschickt. Dem ganzen kann aber eine Kehrtwendung beigebracht werden. Die beiden weggeschickten Aspekte werden in positiv, konstruktiver Form in das Persönlichkeitsgebilde integriert. Die "Depression" übernimmt die Funktion des Kindseins und die "Verlustängste" überwachen die Beziehung zwischen Erwachsenem und Kindsein.

Am Ende des Seminars erfolgen ein Resümee und eine kompakte Zusammenfassung der thematisierten Aspekte.