Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Gruppenleitungs-Arbeitstagung I 2022

Zeit6.–8.5.2022
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaPsychiatrische Störungsbilder und Sucht – Teil II
ReferentinDr. med. Annelie Schwind, Rehaklinik Lindenhof
BerichtFriedrich Mey

Als Einstieg in das Thema erfolgte zunächst ein Rückblick auf die Thematisierung von Teil I im Kontext der Gruppen­leitungsarbeitstagung vom 22. – 24.10.2021. Unter dem biopsychosozialem Modell versteht man die Theorie für die Entstehung von psychischen Störungen, teilweise auch genbedingte Ursachen. Psychosozial bedeutet, in welcher Umgebung wachse ich auf. Kinder lernen aus den indi­viduellen Erfahrungen und Erlebnissen.

Die Therapieansätze begründen sich auf dieses Modell. Hier spielt die Epigenetik auch eine Rolle, das in der Schwangerschaft heranwachsende neue Leben macht schon Erfahrungen mit Stress, Konsum von Sucht­mitteln (transgenerational).

Die Suche nach dem Grund für den Konsum von Suchtmittel und die daraus resultierende Entwicklung der Abhängig­keit kann ein Vorteil sein, muss es aber nicht.

Menschen mit schwieriger Persönlichkeit / Persönlich­keits­störung:

  • Persönlich­keits­störungen kommen bei ca. 10 – 12 % der Menschen vor

  • schwieriger Interaktionsstil mit Funktionsbeeinträchtigungen im Alltag

  • hohe psychische und somatische Komorbidität, Suizidursache

  • unrealistische Erwartungen an Menschen / das Leben, nicht adäquate Formulierung von Wünschen und Bedürfnissen

  • hohe Empfindlichkeit für Kritik und Zurückweisung mit reduzierter Stresstoleranz und vermeidendem, zum Teil impulsivem Problemlösungsstil

  • Stimmung und Verhalten sind (oft unvorhersehbarem) Wechsel unterworfen

  • Neigung zu Misstrauen

  • mangelnde Verlässlichkeit / unzureichende Mitarbeit

Menschen mit Persönlich­keits­störungen haben oft auch ein Suchtproblem. Deren Auswirkungen werden mit dem Konsum von Sucht­mitteln kompensiert.

Besondere Merkmale der Borderline-Persönlich­keits­störung:

  • affektive Instabilität

  • impulsives Verhalten

  • Selbstverletzungen, Suizidalität

  • intensive Ärgergefühle und Ärgerausbrüche

  • instabiles Selbstgefühl

  • Neigung zu Dissoziationen

Aus der Beziehung zwischen Eltern und Kindern entwickeln sich auch Gründe und Ursachen für spätere Verhaltens­weisen des Heranwachsenden / Erwachsenen. Menschen mit Borderline-Störungen haben in der Kindheit schlimme Dinge erlebt und generieren oft eine Suchtabhängigkeit.

Umgang mit Betroffenen, z.B. in der Gruppe:

  • eigene Haltung überprüfen

  • Wissen um veränderte Stressverarbeitung

  • offene, authentische, empathische Kommuni­kation

  • Grenzen setzen

  • Krisenmanagement vereinbaren

  • Lob und Kritik angemessen einsetzen

Kriterien für Funktionsuntersuchungen:

Selbst interpersonell
Identität Beziehung eingehen
Selbstwert Empathie
Selbstreflexion Paarbeziehungen
Selbständigkeit Konfliktfähigkeit

Das Erklärungsmodell für Persönlich­keits­störungen begründet sich darin, Betroffene haben dysfunktionale, kognitive Schemata entwickelt, mit denen sie die Welt wahrnehmen und interpretieren.

DBT = dialektisch behaviorale Therapie:

  • Balance zwischen Verstehen und Respektieren eines Problems, dessen Veränderung anstreben

  • Arbeit an Verhaltenskontrolle und Emotionsregulation

  • Einüben von Skills (Fertigkeiten und Techniken, die ein Patient erlernt, um mit bestimmten Situationen besser umgehen zu können) und Prinzipen der Achtsamkeit

Die DBT wurde von Masha Linehan erfunden. Im Rahmen der Behandlung von Menschen mit Borderline-Störungen findet die Therapie standardisierte Anwendung. Da Parallelen (Überschneidungen) zur Suchttherapie vorhanden sind, ist die sog. Unterart mit der Bezeichnung „DBT – S“ eingeführt worden.

DBT – orientiertes Handeln in der Rehaklinik „Lindenhof“:

  1. Aushändigen und Erklärung des Therapievertrags inkl. Anhörung

  2. Klärung der Compliance hat oberstes Gebot

  3. bei Aufnahme, Abnahme aller Werkzeuge, die dem selbstverletzenden Verhalten dienen

  4. zügige Erstellung einer Skillliste für insbesondere den Hochspannungsbereich (5 – 6 Skills)

  5. Einführen und Zeigen der Skillbox

  6. Patientin wird beauftragt sich eine Skilltasche zu besorgen

  7. es gilt der Grundsatz: Skills anwenden geht vor Bedarfsmedikation

  8. grundsätzlich sollen Narben durch Selbstverletzungen bedeckt werden

  9. wenn eine Selbstverletzung vorkam: Wunde versorgen + Verhaltensanalyse

Beispiele für Skills:

  • Spazieren gehen

  • Joggen

  • Boxsack

  • Chili-Schote

  • Freundin anrufen

  • Musik hören

  • Stricken

Resilienz:

Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Menschen verstanden, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen (Welter-Enderlin, 2006).

Ressourcen – Übungen:

  • dem eigenen Glück begegnen

  • Ressourcenlandkarte

  • Ressourcenkoffer

  • Ressourcengrund

  • Ressourcenbaum

Wege zur Resilienz (Fundament sind die Ressourcen)

  • Selbstwahrnehmung

  • Lebensfreude

  • Selbstwirksamkeit

  • Optimismus

  • Coping

ADHS = Aufmerksamkeitsdefizid-Hyperaktivitäts-Störung des Erwachsenenalters:

  • Aufmerksamkeitsstörung

  • Hyperaktivität

  • Impulsivität

ADHS Komorbidität:

  • Angststörungen

  • Depressionen

  • substanzbezogene Störungen

  • Persönlich­keits­störungen

Behandlung von ADHS:

  • bei starker Beeinträchtigung in mindestens einem oder leichter Beeinträchtigung in mindestens zwei Lebensbereichen

  • Kombination von Psychoedukation, Verhaltenstherapie und ggfs. Medikation

  • Medikation: z.B. Methylphenidat, Atomoxetin, Venlafaxin, Bupropion

Strategien für ein besseres Selbstmanagement:

  • Aufgaben in Teilbereiche aufteilen, nach Wichtigkeit gliedern

  • Rituale einführen, z.B. eine Sache zu Ende bringen, nichts Neues anfangen

  • Vorteile / Nachteile von Nichterledigen überlegen

  • Ablagesystem einführen

  • ruhige Umgebung schaffen, Gedanken unter Kontrolle bringen

  • Pausen einlegen, dabei z.B. Achtsam­keits­übungen anwenden

  • bei impulsiven Geldausgaben, z.B. nur mit Bargeld einkaufen

PTSD = posttraumatic stress disorder:

  • Flashbacks und Intrusionen

  • Vermeidungsverhalten

  • teilweise oder vollständige Unfähigkeit sich zu erinnern

  • anhaltende Symptome hoher Erregung

Die deutsche Bezeichnung lautet „PTBS (= posttraumatische Belastungsstörungen)“. Nur wenige traumatisierte Menschen neigen zu PTBS.

FASD = fetal alkohol spectrum disorder:

  • Alkoholkonsum während der Schwangerschaft

  • im Vordergrund steht eine toxische, nicht reversible Schädigung des Gehirns des ungeborenen Kindes

  • es gibt keine biologischen Marker, Diagnosestellung über das klinische Bild

Die deutsche Bezeichnung lautet „FAS (= fetales Alkoholsyndrom)“.

Diagnose FADS:

  • soziale Auffälligkeiten

  • ZNS – Auffälligkeiten

  • Störungen in der Affektsteuerung

  • bestätigte oder wahrscheinliche intrauterine Alkoholexposition

Mögliche Störungen bei FADS:

  • Sprache, Motorik

  • Intelligenz, Gedächtnis, Konzentration

  • Lernfähigkeit

  • Emotionalität

  • Sozialverhalten