Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Senioren 55+ Seminar 2022

Zeit18.–20.3.2022
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaWie verändern wir uns – Was verändert uns
ReferentWilfried Mohr, ehem. PSB Ettlingen
BerichtFriedrich Mey
BilderFriedrich Mey

Die Teil­nehmenden trafen am späten Nachmittag im Bildungshaus „St. Bernhard“ ein. Mit dem gemeinsamen Abendessen am Freitag um 18h erfolgte der Auftakt des Seminarwochenendes.

In der Begrüßungs- und Vorstellungs­runde wurden Wünsche, Vorstellungen und Erwartungen an das Seminar formuliert. Hierbei werden unter­schied­liche Aspekte angesprochen. Ist es auf der einen Seite das Seminar­thema und die Begegnung mit den weiteren Teil­nehmenden und dem Referenten, sind es andererseits konkrete persönliche Anlässe und Situationen.

Das Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess in eine weitere Lebensphase ist oft ein großer Schritt mit markanten Einschnitten. Es verschließen sich bisherige Möglichkeiten, dafür tun sich andere mit u.U. verändertem Vorzeichen auf. Betreffende erhalten Lebensqualität als Gegengewicht zu Lohn.

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland belief sich 2020 für Männer auf 78,9 und für Frauen auf 83,6 Jahre. Damit hat sich die Lebenserwartung seit dem 19. Jahrhundert rasant entwickelt und sich gegenüber der 1870er Jahre mehr als verdoppelt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland knapp hinter der Spitzengruppe der Länder mit der höchsten Lebenserwartung[1]

Am Samstag wird dann zunächst festgestellt: Wir altern seit unserer Geburt und nicht nur ab einem bestimmten Alter. Ein natürlicher, indi­vidueller Verschleiß macht sich u.a. im Bereich der Gelenke, Bandscheibe, Lungenvolumen und Herztätigkeit bemerkbar.

Im höheren Alter kommt es zu keiner allgemeinen Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten. Allerdings ist der Erhalt der kognitiven Fähigkeiten, das sind Wahrnehmung, Denken, Erkennen und Erinnern, im Alter von Mensch zu Mensch sehr unter­schied­lich. Einem Verlust geistiger Fähigkeiten kann durch gezieltes Gedächtnistraining sowie durch regelmäßige geistige Betätigung entgegengewirkt werden.[2]

Die Priscusliste (lat.: priscus = alt) beinhaltet eine Auflistung von Medika­menten, welche nicht adäquat fürs Alter bestimmt sind.

Ältere Menschen bekommen besonders viele Medikamente verschrieben. Zugleich bauen Leber und Niere die chemischen Stoffe im Alter langsamer ab. In der Folge reagieren Senioren empfindlicher und sind anfälliger für unerwünschte Arzneimittelwirkungen[3]

Jeder Einzelne ist gut beraten, diese Liste mit seinem Arzt zu besprechen.

Die These „Wir werden jünger und gesünder alt“ hat durchaus einen Sinn. Dazu ist eine positive mentale Grundeinstellung von Bedeutung. Jeder von uns sollte sich nicht von negativen Ereignissen, Aussagen und Handlungsweisen „herunterziehen“ lassen. Auch Demut darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden.

Der Wechsel in das Pensionärsdasein bedarf einer guten Vorbereitung und beinhaltet einige Stolpersteine. Hier ist auch das Thema Sucht im Alter zu beachten: [4]

  • Die Alkoholverträglichkeit nimmt im höheren Lebensalter ab
  • Im höheren Alter ist eventuell aufgrund chronischer Krankheiten die regelmäßige Einnahme von Medika­menten erforderlich. Zwischen den Wirkstoffen vieler Medikamente und Alkohol kann es zu gesundheitsschädigenden und sogar gefährlichen Wechselwirkungen kommen.
  • Eine Alkoholabhängigkeit kann sich auch noch im höheren Alter entwickeln bzw. weiter verfestigen

Abstinent lebende alkohol­kranke Menschen müssen dafür sorgen, dass diese Abstinenz, gerade auch im Alter, nachhaltig erhalten bleibt.

Die Entwicklung der Persönlichkeit hält ein ganzes Leben lang an. Es gibt Faktoren für ein gesundes Altern, die auch als sog. „Basics“ bezeichnet werden können. Es handelt sich um folgende Aspekte:

  • Bewegung
  • bewusste Ernährung
  • geistige Beweglichkeit
  • soziale Kontakte
  • finanzielle Absicherung
  • Ausbildung

Der Begriff Alter lässt sich in die folgenden Kategorien aufsplittern:

  • kalendarisches Alter
  • biologisches Alter
  • soziales Alter

Das Alter ist ein Balanceakt zwischen zwei entgegengesetzten Arten von Heraus­forderungen. Einerseits das Gestalten des Lebens im Sinne von das Mögliche nutzen und das erst jetzt Mögliche entfalten. Andererseits das Annähern an das Sterben im Sinne einer Einübung in Loslassen, Abschiednehmen, hinter sich lassen.

Zwei Formen des Ungleichgewichtes lassen sich dementsprechend als Problematik im fortgeschrittenen Lebensalter skizzieren: Resignation und krampfhaftes Festhalten. Resignation meint die Problematik, das Mögliche nicht mehr zu sehen und zu ergreifen und zu vollenden. Krampfhaftes Festhalten entsteht, wenn das nicht mehr Mögliche nicht losgelassen und verabschiedet werden kann.

Wir sind so alt, wie wir über uns denken. Das Denken über mich selbst bestimmt die Dynamik. Es gilt den Jahren mehr Leben zu geben.

Die sicherste Methode sich irgendwann überfordert und schrecklich alt zu fühlen besteht darin, sich verzweifelt an ein Lebensmodell zu klammern, das einfach nicht mehr zu mit passt.

Der Ausblick auf die Zukunft (was kann kommen) bietet die Möglichkeit, Alternativen zu entwickeln.

Seitens des Referenten wird die Frage­stellung formuliert, ob eine Farbe benannt werden kann, welche im bisherigen Leben fehlt und die einem guttun würde. Es wurden die Farben rot, gelb, blau, grün und orange benannt. Die Teil­nehmenden, welche eine Farbe genannt haben, erläutern den Beweggrund und die damit im Kontext stehenden Ereignisse und Handlungsweisen.

Durch die Abkürzung SOK (Selektion – Optimierung - Kompensation) wird ein Modell bezeichnet, das als Grundlage dient, um mit zunehmendem Alter die Handlungsfähigkeit zu erhalten. Im Unter­bewusstsein wird das Modell möglicherweise schon längst angewandt. Starrsinn im Alter ist vielfach die Folge von Verlusten (Fähigkeiten, Mobilität usw.). Es findet eine Verlagerung auf andere Bereiche statt, die in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Verlorenen stehen.

Durch den Referenten wird die These formuliert: "Wie Sie sich fühlen hängt nicht von der Situation oder Ihren Mitmenschen ab, sondern davon was Sie über die Situation und die Mitmenschen denken!" Jeder Einzelne kommt zu einer indi­viduellen Bewertung einer Situation und deren Ergebnis ist der Grund bzw. die Ursache für die folgende Handlungsweise.

Der Übergang vom Ende der Lebensarbeitszeit in die weitere Lebensphase ist auch für suchtspezifische Aspekte nicht unkritisch. In der Vorbereitung auf den anstehenden Wechsel in eine weitere Lebensphase ist daher wichtig, dass auch künftig die Tagesabläufe strukturiert sind und dass sich das Gefühl der Langeweile nicht breitmacht. Hat sich dieses Gefühl erst eingeschlichen, besteht die Gefahr, dass sich der Alkohol als Unter­haltungspartner einnistet.

Viktor Frankl [5], österreichischer Psychiater und Psycho­thera­peut, sieht drei Hauptstraßen zur Sinnfindung:[6]

  • Erlebniswerte
  • Schaffenswerte
  • Einstellungswerte

Wenn am Ende der Lebensarbeitszeit der Beruf wegfällt und ein großes offenes Zeitfenster entsteht, gilt es dieses mit Neuem zu füllen, unter der Voraussetzung, dass ich mich mit dem Neuen identifizieren und somit wohlfühlen kann.

Das gemeinsame Mittagessen bildete den Abschluss des Seminars. Im Anschluss daran wurde die indi­viduelle Heimreise angetreten. Alle waren sich einig, ein schönes und harmonisches Wochenende miteinander erlebt zu haben.

Weblinks

[1] Statista: Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland

[2] Medizininfo: Geriatrie Gesundheit und Alter

[3] AOK: Priscus Liste

[4] Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen: Sucht im Alter

[5] Wikipedia: Viktor Frankl

[6] Auf der Suche nach dem Sinn im leben