Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Gruppenleitungs-Arbeitstagung 2021

Zeit22.–24.10.2021
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaPsychiatrische Störungsbilder und Sucht – Teil I
ReferentinDr. med. Annelie Schwind, Rehaklinik Lindenhof
BerichtFriedrich Mey

Psychischer Befund (Psychopathologie / Persönlichkeit):

  • Bewusstseinsstörungen

    • Grade der Wachheit: Benommenheit, Somnolenz, Sopor, Präkoma und Koma,

    • Delir (akute organische Psychose),

      Delir = Delirium: Veränderung des Bewusstseins, hat nicht immer nur was mit Sucht zu tun,

      Entzugsdelire sind sehr gefürchtet, mit vegetativer Entgleisung, teilweise lebensbedrohend,

    • Dämmerzustand (eingeengte Aufmerksamkeit, „verschobene“ Bewusstseinslage, oft danach folgende Amnesie),

    • Dissoziation: Störung der integrativen Funktion von Gedächtnis und / oder Bewusstsein.

  • Orientierungsstörungen

    • Zeit,

    • Ort,

    • Person,

    • eigene Situation.

  • Aufmerksamkeit, Konzentration, Auffassung, Gedächtnis

    • grobe Prüfung: 100-7,

    • Sprichwörter,

    • Fabel nacherzählen,

    • Kurz-, Mittel-, Langzeitgedächtnis.

  • Denkstörungen

    • inhaltlich: überwertige Idee, Wahn, Zwänge,

    • formal: z.B. weitschweifiges, verlangsamtes, gehemmtes, eingeengtes, gesperrtes, zerfahrenes, ideenflüchtiges Denken,

  • Korsakow-Syndrom: vollständiger Verlust des Kurzzeitgedächtnisses, Folge von langjährigem Alkoholkonsum, betroffene Menschen konfabulieren, Distanzlosigkeit, Orientierung gestört.

  • Wahrnehmungsstörungen

    • Halluzinationen: optisch, akustisch, olfaktorisch (riechen), taktil,

    • Pseudohalluzinationen, illusionäre Verkennungen,

    • Wahrnehmungsveränderungen.

  • Ich – Störungen

    • Störungen der „Meinhaftigkeit“, z.B. Gedankeneingebung, Gedankenausbreitung, Gefühl der Willensbeeinflussung,

    • Theory of mind: indi­vidueller Gedankenfluss.

  • Störungen der Affektivität

    • Affektverarmung,

    • Affektstarre,

    • Affektlabilität: ich bin dünnhäutiger als früher,

    • „Affektinkontinenz“,

    • Ambivalenz: gleichzeitig Hass und Liebe,

    • Störung der Vitalgefühle.

  • Angst

    • Realangst,

    • Angststörungen:

      • Phobien

      • Panikattacken

      • Agoraphobie

      • Soziale Phobie

      • generalisierte Angststörung

    • psychotische Angst.

  • Antrieb

    • gemindert,

    • gehemmt,

    • gesteigert.

  • Psychomotorik

    • verarmt,

    • unruhig,

    • maniriert (künstlich).

  • Kontaktstörungen

    • angepasst,

    • ohne Resonanz,

    • oberflächlich,

    • distanzlos,

    • aggressiv,

    • misstrauisch,

    • ängstlich.

  • Persönlichkeit

    • besondere Eigenschaften,

    • Art zu denken,

    • Art zu empfinden,

    • Art, Beziehungen zu gestalten

      Persönlichkeit ist die Gesamtheit aller nichtpathologischen Persönlich­keits­eigenschaften, nämlich indi­vidueller Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens, in denen sich jemand von Gleichaltrigen derselben Kultur unterscheidet.

  • Gegensatzpaare der Big Five

  • phantasielos, nüchtern, engstirnig

    kreativ, feinfühlig, aufgeschlossen

    unüberlegt, unordentlich, chaotisch

    umsichtig, ordentlich, beharrlich

    passiv, ernst, distanziert

    aktiv, fröhlich, gesellig

    misstrauisch, egoistisch, hartherzig

    arglos, hilfsbereit, gutmütig

    angstfrei, ausgeglichen, unbefangen

    ängstlich, empfindlich, gehemmt

  • Symptom – Syndrom, „Diagnose“

    • Intoxikation,

    • Delir,

    • akute Psychose,

    • Erregungszustand,

    • affektive Störungen,

    • Demenz.

  • Psychiatrische Krisensituation

    • aggresiver Impulsdurchbruch,

    • akute Psychose,

    • Selbstverletzung,

    • dissoziativer Zustand,

    • narzisstische Krise,

    • Suizidalität.

  • Allgemeine Strategien / Intervention im Umgang mit Menschen in akuten psychotischen Krisensituationen

    • Ruhe bewahren und ausstrahlen,

    • Angst und Unsicherheit reduzieren,

    • Worte und Gestik mit Bedacht,

    • nicht zu nah kommen,

    • Vertrauen aufbauen,

    • ggfs. Deeskalation,

    • „Augenhöhe“,

    • einfache Sprache,

    • „kleine Brötchen backen“,

    • Helfer muss ggfs. für seine eigene Sicherheit sorgen,

    • Professionalität des Helfers wirkt sich positiv und angstmindernd aus,

    • somatische Ursache der Störung in Betracht ziehen (z.B. Unterzuckerung beim Diabetiker, epileptischer Anfall, Schädel-Hirn-Trauma),

    • „Schlüsselfragen“, bzw. Beobachtung zu Bewusstsein, Orientierung.

  • Ärztliche Abklärung / Intervention bei

    • starken Intoxikationszeichen,

    • anhaltenden „Verwirrtheit“ ohne offensichtliche Intoxikation,

    • selbst- und / oder fremdschädigendem Verhalten,

      Bio-psycho-soziales Modell: für viele Krankheiten gibt es eine gewisse Genetik, gewisse Veranlagung (Genetik) für eine Sucht­krankheit, weitere Faktoren spielen eine Rolle, psychologisch und sozial begründet (z.B. Kinder aus sucht­belasteten Familien).

  • Depression:

  • Epidemiologie

    • Depressionen sind neben Angststörungen die häufigsten psychischen Erkrankungen,

    • Lebenzeitprävalenz, an einer Depression zu erkranken 16 – 20 %,

    • 2,4 – 4,5 Neuerkrankungen unter 1.000 Erwachsenen pro Jahr,

    • Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer,

    • Alter bei Erstmanifestation: zwei Häufigkeitsgipfel: zwischen 20 – 29 Jahren und zwischen 50 – 59 Jahren.

  • Vorgehens­weise

    • Screening auf eine mögliche depressive Störung,

    • Diagnostik somatisch:

      • Medika­mentenamnese,

      • körperliche Erkrankungen,

      • körperliche Untersuchung mit Laborwerten.

  • Psychopathologisches Bild der Depression

    • depressive Verstimmung,

    • Verlust von Freude und Interesse,

    • erhöhte Ermüdbarkeit,

    • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen,

    • Denkhemmung,

    • psychomotorische Hemmung und Antriebs­losigkeit oder innere Unruhe,

    • leibliche Missempfindungen und Vitalstörungen,

    • depressive Wahnideen.

  • ICD-10 Kriterien für depressive Episode

    • depressive Stimmung,

    • Verlust von Interesse und Freude,

    • erhöhte Ermüdbarkeit,

    • verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit,

    • Schuldgefühl und Gefühl von Wertlosigkeit,

    • negative und pessimistische Zukunftsperspektiven,

    • Suizidgedanken oder erfolgte Selbstverletzung,

    • Schlafstörungen,

    • vermindernder Appetit.

  • Vegetative Symptome

    • Verstopfung,

    • Kopfschmerzen,

    • Muskelkrämpfe,

    • Herzbeschwerden,

    • Ohrgeräusche,

    • Übelkeit und Magenbeschwerden,

    • Schwindel und Kreislaufbeschwerden.

  • Hinweise auf ein hohes Suizidrisiko bei Depressionen

    • schwere Depression,

    • depressiver Wahn mit starker Einengung des Denkens mit Versagens-, Untergangs- und Schuldgefühlen,

    • imperative Stimmen mit Aufforderung zum Suizid,

    • paranoide Beziehungsideen,

    • Angst vor Kontrollverlust,

    • eigener Suizidimpuls

  • 40 – 70 % aller Suizide erfolgen im Rahmen einer Depression.

  • Ätiologie

    • bio-psycho-soziales Modell:

      • genetische Disposition,

      • frühe Verlust- und Trennungserlebnisse,

      • somatische Stressoren,

      • psychosoziale Stressoren und interpsychische Konflikte,

      • Transmitterimbalance, neuroendokrinologische Entgleisung.

  • Genetische Faktoren

    • lediglich die Vulnerabilität wird vererbt,

    • bisher keine eindeutige Lokalisation von verantwortlichen Genen,

    • vermutlich wirken mehrere Gene pathologisch zusammen,

    • es scheinen unter­schied­liche Umweltfaktoren mit jeweils unter­schied­lichen genetischen Profilen zu interagieren.

  • Weitere Befunde

    • Veränderung des REM-Schlafs,

    • neuroendokrine Veränderungen:

      • Überaktivität des Hypothalamus,

      • Störungen im Bereich neurotropher Faktoren,

      • Störungen der auch im erwachsenen Gehirn stattfindenden Neuroneogenese.

  • Therapie

    • Akuttherapie, Erhaltungstherapie,

    • Medikamente,

    • Psychotherapie,

    • soziotherapeutische Maßnahmen,

    • Lichttherapie,

    • Schlafentzug,

    • Elektrokrampftherapie