Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Angehörigen Tag 2019

Zeit20.10.2019
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaBieten Grenzerfahrungen auch Chancen
ReferentinPetra Dummermuth-Kress, Suchberatung Ettlingen
BerichtBärbel Kempermann

Die Sucht eines Menschen hat für die Personen in seiner Umgebung erhebliche Auswirkungen. Vor allem nahe Angehörige erleben ein wechselndes Auf und Ab und wissen nicht mehr weiter. Hilflos und helfend zugleich machen sie Grenzerfahrungen. Im Austausch mit anderen mitbetroffenen Frauen (Männer haben von diesem Angebot leider keinen Gebrauch gemacht) möchte ich erfahren, wie Angehörige mit Rückschlägen und schwierigen Situationen am besten umgehen können.

Wir sind eine bunt gemischte Gruppe: mit dabei eine Kreuzbund-Gruppenleiterin, mehrere Kreuzbund- Gruppen­besucherinnen, aber auch Angehörige, die von ihren Partnern aus verschieden Kreuz­bund­gruppen auf diesen Angehörigentag aufmerksam gemacht wurden und bisher selbst noch nie an einem Gruppen­abend teilgenommen haben. Spannende Runde, von neu bis sehr erfahren in der Sucht­selbst­hilfe.

Ein herzliches Willkommen an uns alle und besonders an unsere Referentin von der AGJ Suchtberatung in Ettlingen Frau Petra Dummermuth-Kress. Petra hat, nach dem krankheitsbedingten Ausfall der für diesen Tag vorgesehen Referentin, sich kurzfristig für das Thema vorbereitet und diesen Sonntag für uns reserviert. Danke hierfür. Es kann losgehen.

Zum Kennen­lernen positionieren wir uns nach verschiedenen Frage­stellungen:

  • Wie alt bin ich?
  • Wie weit war mein Anfahrtsweg?
  • Wie lange lebe ich schon mit einem Sucht­kranken?
    Hierbei kommt es zu so mancher Aha- Erkenntnis: Oh, da war doch auch der Onkel, oder Oh auch mein Vater war abhängig. Viele von uns kennen die Angehörigenrolle aus unter­schied­lichen Familienkonstellationen: als Partnerin, Kind, Mutter, Schwester, Schwiegertochter oder Nichte. Ganz schön viel Erfahrungskompetenz.

Es geht sehr lebhaft zu und so entsteht recht schnell eine lockere Atmosphäre.

Doch was erwarten wir von dem Tag? Was wünschen wir uns? Was interessiert uns bei dem Seminar­thema? Was beschäftigt uns? Mit diesen Fragen befassen sich je zwei Personen und stellen anschließend ihre Partnerin und deren Erwartungen den anderen Teilnehmerinnen vor. So möchte die Mehrzahl der Frauen

  • Erfahrungen austauschen, Erfahrungen sammeln
  • sich überraschen lassen
  • sehen was passiert und gut zuhören
  • wissen, wie sie ohne schlechtes Gewissen Grenzen ziehen können
  • sich verstanden fühlen
  • verstehen können wie Sucht und Mitbetroffenheit funktioniert
  • andere Frauen kennen­lernen
  • eine Auszeit vom Alltag
  • oder wunderschön formuliert: Schätze einsammeln

Nach einer kurzen Mittagspause schauen wir uns ein Familiensystem an. Es geht um Angehörige, die in unter­schied­lichen Positionen zum Sucht­kranken stehen und räumlich nah zusammenwohnen. Der Suchtkranke überschreitet oft Grenzen und den Mitbetroffenen gelingt es schwer, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse durchzusetzen. In Aufstellungen soll die Dynamik erkannt und mögliche Ansätze zur Konflikt­lösung gefunden werden.

Bei der ersten Aufstellung stellen Steine die Beteiligten dar während bei der zweiten Aufstellung Stellvertreter eine Rolle übernehmen. Ich möchte wegen der Verschwiegen­heitspflicht hier nicht näher auf die Einzelheiten der Konflikt­situationen eingehen. Danke den Teilnehmerinnen, die ihre häusliche Situation geschildert haben. Uns wird deutlich, dass die Beteiligten in ihrem System der Suchtfamilie (die Verhaltens­weisen der Familienmitglieder greifen wie Zahnräder ineinander) viel zu viel Rücksicht auf den Sucht­kranken nehmen. Es kommt immer wieder zu Grenzerfahrungen, die es zu durchbrechen gilt, damit die Angehörigen sich verstärkt wieder um sich selbst kümmern können.

Für ein zufriedenes Leben, aber auch um Probleme und schwierige Lebenssituationen anzugehen, brauchen wir Kraft­quellen. Diese Quellen gilt es immer wieder aufzufüllen, damit es nicht heißt: Akku leer. Was sind unsere persönlichen Kraft­quellen? Jede, die mag, darf ihre eigene Krafttankstelle in einem Brief festhalten und bekommt diesen in ca. 6 Wochen mit der Post zugestellt. Eine schöne Erinnerung an das Seminar und unsere Quellen: Familie, Enkel, Kinder, Freunde, Kreuz­bund­gruppe, Natur, Garten, Wasser, Sport, Musik, Arbeit, Wandern, Auszeiten, und viele mehr, denn ich habe nur die Mehrfachnennungen aufgeführt.

Wir haben uns heute viel erarbeitet. Mit Impulskarten geht es in die Schlussrunde. Was war gut? Wovon habe ich profitiert? Hervorgehoben wird die super professionelle Leitung durch den Tag, die Offenheit der Gruppe und die gute Zusammenarbeit.

Ein informativer aber auch anstrengender Seminartag geht zu Ende. Wir fahren mit vielen Eindrücken nach Hause. Danke Petra für deine gelungene Moderation und Danke für die Mitarbeit an die Teilnehmerinnen aus 6 verschiedenen Kreuz­bund­gruppen.

Die Zahl der Angehörigen, die eine Gruppe besuchten, ging in 20 Jahren von ca. 30 Prozent auf 19 Prozent zurück. 19 % der Gruppenteilnehmenden sind Angehörige von Sucht­kranken. Lag die Zahl der Angehörigen vor etwa 20 Jahren noch bei 30 %, so lässt sich seit einigen Jahren eine erhebliche Reduzierung der Angehörigenzahl feststellen. Verglichen mit den Erhebungen aus den Vorjahren hat sich das Verhältnis von sucht­kranken zu angehörigen Gruppenteilnehmenden in Richtung der Sucht­kranken verschoben. Mit 80 % sind Frauen bei den Angehörigen deutlich in der Überzahl.

Quelle: Statistik 2017 der fünf Sucht-Selbsthilfe- und Abstinenzverbände