Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Partner Seminar I 2018

Zeit6.–8.7.2018
OrtBildungshaus St. Bernhard
ThemaAngst, seine Gefühle zu zeigen
ReferentThomas Cramer, Kliniken Wied
BerichtSusanne Bunsch, Karlsruhe
BilderGerhard Häring, Karlsruhe

Wieder einmal haben wir uns an einem Freitagnachmittag um 18:00 Uhr zu einem spannenden Thema in Rastatt getroffen, d.h. wir wollten uns um 18:00 Uhr treffen!

Leider trafen wir wegen Staus mit Verspätung ein. Bei dem nicht enden wollenden Stop and Go auf der Autobahn wurde mir sehr deutlich bewusst, dass das erste Paarseminar 2016 mit dem Thema: „Gefühle wahrnehmen, zulassen und äußern!“ bei mir sehr erfolgreich war: Ich spürte super deutlich meinen Ärger! Gleichzeitig freute ich mich sehr auf unseren Referenten Thomas und das Seminar.

Als wir endlich in Rastatt angekommen waren hatte uns das hervorragende Abendessen und der herzliche Empfang der restlichen Teilnehmer schnell beruhigt und entschädigt.

Gestärkt trafen wir uns um 19:00 Uhr im Gruppenraum. Thomas stellte sich nochmals vor und begann den Abend mit ein paar anerkennenden Worten an uns alle. Durch seine langjährigen Erfahrungen in den Kliniken Wied habe er viel Erfahrungen mit Sucht­kranken sammeln können. Er findet es toll, wie wir an uns und im Kreuzbund arbeiten. Dies sei keine Selbst­verständlichkeit! So viele schaffen es nicht, trocken zu bleiben und sind schwerkrank. Er findet uns super, so wie wir sind!

Ach, hat das gut getan - und machte gleichzeitig deutlich, dass es nicht selbst­verständ­lich ist, ein zufriedenes, trockenes Leben zu führen.

Danach sollten wir Fragen sammeln, die uns beschäftigten. Unsere Tafel füllte sich schnell:

  • Traue ich mich Gefühle zu äußern und zu zeigen?
  • Könnte ich zu hart werden?
  • Verletze ich meinen Partner?
  • Belaste ich meinen Partner zu sehr?
    Ist es nicht besser meine Gefühle mit mir alleine auszumachen?
  • Ich möchte mich einfach nur mitteilen, ohne irgendwelche Ratschläge zu erhalten!
  • Ich teile mich zwar mit, erhalte aber keinerlei Resonanz!
  • Was ist, wenn ich meine Gefühle gar nicht benennen kann? Was sind eigentlich Gefühle?
  • Bin ich zu „verkopft“?
  • Wie gelingt es mir meine Gefühle in den Griff zu bekommen, ohne auszurasten?
    (z.B. bei Rückfall des Partners)
  • Wie und wann zeige ich meine Gefühle?
  • Was ist wenn ich missverstanden werde, nicht die richtigen Worte finde?
  • Wie erhalte ich mir meine Spontanität, ohne nachdenken zu müssen, wie das bei meinem Gegenüber ankommt?
  • Was ist, wenn mein Kopf so voll ist, ich so belastet bin, dass ich nicht mit den Gefühlen meines Partners umgehen kann? Obwohl ich weiß, dass es ihn große Über­windung kostet überhaupt über seine Gefühle zu sprechen?
  • Kann man ohne Gefühle nicht rationaler handeln?

Dabei waren deutlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen wahrzunehmen. Männer hatten oft Angst zu aggressiv zu werden. Bei Frauen stand eher die Angst im Vordergrund, Ihre Partner mit ihren Gefühlen und Sorgen zu belasten.

Schnell wurde klar, dass es für Männer sehr schwer ist, Angst zuzulassen. Sie lähmt, macht schwach und hilflos. Deshalb schlägt dieses Gefühl häufig in Wut um (z.B. bei der ständig rückfälligen Partnerin).

Wut spornt an, gibt neue Energie, macht kämpferisch und wir fühlen uns stark. Also viel angenehmer als sich hilflos fühlen.

Nachdenklich beendetet wir unsere erste Runde gegen 21:00 Uhr und beschlossen, ein Eis essen zu gehen. Erfreulicherweise waren in unserer Stammeisdiele noch ganz viele Plätze frei. Rasch schoben wir mehrere Tische zusammen, setzten uns … nur um zu erfahren, dass die Eisdiele schon geschlossen hatte.

Soooo schade! Enttäuscht spazierten wir über ein nahes Fest, in der Hoffnung dort noch irgendwo ein kleines Eis aufzutreiben.

Aber: es war die Rastatter Bierbörse! Mit viel Gelächter und Humor klapperten wir sämtliche Stände ab, aber weit und breit kein Eis! Trotzdem verloren wir unsere gute Laune nicht. Zufriedene Abstinenz nennt man so was. Müde aber zufrieden gingen wir schlafen.

Samstagmorgens nach einem phantastischen Frühstück trafen wir uns um 9.00 Uhr im Gruppenraum. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde bearbeiteten wir in kleinen Gruppen das Thema: Umgang mit Gefühlen in unseren Ursprungsfamilien.

Die Erfahrungen waren sehr unter­schied­lich. Da gab es eine Familie, in der die Mutter ständig gehadert und Streitgespräche geführt hat. Der Vater, sonst immer fröhlich, ist daraufhin immer gegangen. Für das Kind war das sehr belastend.

Da gab es die dominante Mutter und den Vater, der gehorchen musste.

Da gab es den aggressiven Vater, jedes Wochenende betrunken, zerschlagene Möbel, Schläge, eine hilflose Mutter und das Kind, das versucht hat sich schützend vor sie zu stellen und immer versucht hat, alles richtig zu machen. Bloß nicht anecken oder negativ auffallen, die Mutter müsste es doch wieder ausbaden. Da gab es Mißbrauch und Prügel.

Da gab es Eltern, die nie Zeit hatten, und nur dann auf das Kind aufmerksam wurden, wenn irgendetwas schief gegangen war.

Nur in eine einzige Familie schien intakt gewesen zu sein. Beide Elternteile gaben ihrem Kind Liebe und Geborgenheit.

Wir merkten schnell, dass vieles in unserer Kindheit nicht in Ordnung war. Manche Erlebnisse erschütterten mich sehr. Was bei vielen geblieben ist, war Wut, Traurigkeit oder Angst und / oder die ständige Suche nach Anerkennung.

Wir bemerkten aber auch, dass viele Eltern sicher selbst traumatisiert waren (Kriegsgeneration, eigene schlimme Erfahrungen) und keine Böswilligkeit hinter ihrem Verhalten gesteckt hat.

Nur, was nützt uns diese Erkenntnis? Wie können wir unser eigenes Verhalten ändern?

Zuerst indem wir uns selbst erkennen, negative Gefühle wahrnehmen und unser Verhalten hinter­fragen, z.B.: Warum raste ich in bestimmten Situationen aus?

Es gibt mehrere Gründe:

  • Erfahrungen werden übertragen, d.h. wir geben unser Gelerntes weiter.
  • Überforderung
  • Mangelnde Kontrolle
  • Unverstanden fühlen
  • Wir sind ärgerlich, weil sich bestimmte Situationen wiederholen
  • Gesundheitliche Probleme, Schmerzen.
  • Unser wunder Punkt wurde getroffen.

Dabei ist doch ganz klar, dass Ausrasten völlig dysfunktional ist. Doch wie vermeiden? Wir kamen zu dem Ergebnis, dass es bei überschießenden Gefühlen am besten ist, die Situation für den Moment zu verlassen, vorausgesetzt, wir haben dies erkannt. Damit beendeten wir diesen recht anstrengenden aber hoch­interes­santen Vormittag und genossen unser wohlverdientes Mittagessen.

Um 14:00 Uhr trafen wir uns wieder und stellten fest, dass es doch sehr schwierig ist, unsere Gefühle zu kontrollieren. Dabei müssen wir zwischen Berufs- und Privatleben unterscheiden.

Wir entdeckten, dass die Selbstachtsamkeit unbedingt nötig ist. Aber was ist das?

Dazu gehört z.B. darauf zu achten was mein Körper gerade braucht (Schlaf, Nahrung, Wasser, Pause oder Bewegung), auf das Bauchgefühl hören, positiv über mich denken, mich lieben oder mit wem ich mich umgebe, wer tut gut und wer nicht.

Im Lauf des Nachmittags bildeten wir wieder kleinere Gruppen mit unter­schied­lichen Frage­stellungen, z.B.

  • Wie glücklich sind sie in Ihrer Partner­schaft?
  • Wie zeige ich meine Gefühle in der Partner­schaft?
  • Wie lebe ich meine Gefühle aus, kann ich sie ausleben?

Wichtig war uns, unsere Gefühle zu besprechen. Da gab es zum Beispiel diesen Groll, der ungerecht werden ließ, weil Verhaltens­weisen des Partners an die eigenen Eltern erinnert haben. Erst als dies bewusst wurde, konnte es erklärt werden. Dabei ist für den Partner wichtig zu wissen, dass dieser Groll nichts mit seiner Liebe zu tun hat. Es sind nur die Verhaltens­weisen, die stören.

Auf die Frage, wie zeige ich meinem Partner dass ich ihn liebe, kamen ganz schnell folgende Antworten.

  • Ich sage es ihm
  • Ich nehme ihn in den Arm
  • Ich schenke ihm meine Aufmerksamkeit
  • Ich zeige es durch kleine Gesten
  • Ich mache Komplimente
  • Gemeinsames Wochenende
  • Kleine Überraschungen, in diesem Fall Karten für Starlight Express
  • Körperlichkeit

Also wissen wir doch, wie es geht!

Die nächsten Fragen waren: Wie und wann zeige ich meine Gefühle und wie verliere ich die Angst, missverstanden zu werden? Wie finde ich die richtigen Worte?

In einer regen Runde fanden wir folgende Antworten:

  • Es ist nicht möglich einen Zeitpunkt für Gefühle zu finden, sie kommen
  • Lieber nochmal nachfragen, ehe etwas missverstanden wird
  • Gefühle zeigen, bevor sie sich aufstauen
  • Auch Rückzugsmöglichkeiten sind wichtig
  • Sich auf den Partner einstellen, es gibt völlig unpassende Momente
  • Ich-Botschaften senden
  • Negative Dinge nicht vor Dritten äußern
  • Einfache Worte wählen, keine Schachtelsätze
  • Und natürlich wieder Beruf und Privat unterscheiden

Die Vorschläge von Thomas, speziell im Berufsleben kleine Umschreibungen zu verwenden, fand ich sehr hilfreich. Anstatt: Ich bin ärgerlich - Ich bin irritiert, Ich bin stinksauer - Ich bin befremdet.

Insgesamt bekamen wir an diesem Tag sehr viele Denkanstöße. Oft fanden wir uns in der einen oder anderen Person wieder. Es gab uns sehr viel Kraft, weiter an uns zu arbeiten.

Gut gelaunt gingen wir zum Abendessen und im Anschluss in unsere altbewährte Eisdiele und das Allerbeste: Sie hatte geöffnet!

Sonntagmorgen begannen wir wieder pünktlich um 9:00 Uhr mit einer Befindlich­keits­runde und der Frage, was noch aussteht.

Wir kamen zur Angst.

Angstgefühle und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen sind eigentlich Stresssymptome. Im Umgang mit der Angst ist wichtig:

  • Sie ist nicht schädlich, es sei denn, sie geht in Panik über.
  • Wichtig ist, sie nicht durch Gedanken zu verstärken.
  • Versuchen, die Umgebung neutral zu betrachten und in der Realität bleiben.
  • In Angstsituationen Zeit nehmen.
  • In der Situation bleiben.
  • Die Angst beobachten und merken, wie sie abklingt.
  • Auf etwas anderes konzentrieren.
  • Angstsituationen nicht vermeiden.
  • Sich Angstsituationen aussetzten.
    Natürlich nur dann, wenn im Kopf klar ist, dass diese nicht sinnvoll ist, also nie bei berechtigten Angstsituationen. Unberechtigte Ängste sind z.B. Höhenangst, Angst vor Terminen oder die Angst vor der Angst.

Damit gab uns Thomas gutes Werkzeug zur Bewältigung unserer Ängste mit.

Nach einer kurzen Pause stellen wir fest, dass für gute Beziehungen wichtig ist, viel miteinander unternehmen, möglichst viele gemeinsame Interessen haben und viel miteinander reden. Dabei kamen wir auf das Thema Sender und Empfänger.

Thomas erklärte uns, dass es zwischen Sender und Empfänger einen Filter gibt. Dies bedeutet, dass immer der Empfänger die Botschaft bestimmt. Es kommt darauf an, aus was dieser Filter besteht, wodurch er entstanden ist. Denkt der Empfänger ich bin ein Versager wird die Botschaft immer negativ sein. Hat der Empfänger jedoch positive Erfahrungen in der Ver­gangen­heit gemacht, kommt die gleiche Botschaft positiv bei ihm an. Umso wichtiger für den Sender ist es, sich klar auszudrücken. Bei Zweifel an dem Inhalt der Botschaft, sollte aber auch der Empfänger lieber nochmal nachfragen. So können wir unnötigen Stress in unseren Beziehungen vermeiden.

Wer oder was uns ärgert, entscheiden wir selbst. Wir können Gefühle zeigen aber nicht planen. Und wir können nur dann eine Veränderung erzielen, wenn wir uns selbst erkennen.

Eine Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten. Und da ja keiner von uns wahnsinnig ist, werden wir versuchen unser Verhalten zu ändern, oder?

Wir brauchen keine Angst davor zu haben, unsere Gefühle zu zeigen. Sie sind uns Menschen eigen und sind ein untrennbarer Bestandteil unserer Existenz.

Nun blieb uns nur noch, uns bei unserem großartigen Referenten Thomas Cramer für dieses sehr interessante, intensive und teilweise auch anstrengende Seminar zu bedanken. Er hatte wieder einmal so viel Verständnis für uns, hat uns Anregungen und Lösungswege gezeigt. Vieles wurde uns klarer, manches war erschütternd, manch größeres und kleineres Problem konnte besprochen und vielleicht sogar gelöst werden.

Wir waren eine tolle Gruppe mit ganz viel Verständnis und Vertrauen ineinander und miteinander. Danke an Alle.

Hier noch ein kleines Gedicht von Kristiane Aller-Wybranietz das ich gefunden und irgendwie passend finde.

Gefühle

kann man nicht beschreiben, nur geben

und auch das nicht immer,

denn man kann sie auch zurückhalten –

aus Scheu,

aus Angst,

aus Rücksichtnahme,

aus Trotz,

aus Unsicherheit.

Wenn ich könnte, würde ich die meine per Post schicken,

als Einschreiben – streng vertraulich – und mit Rückporto.

Man kann ja nie wissen.