Wie jedes Jahr, nahm ich im November 2017 die damals aktuelle Ausgabe unserer Verbandszeitschrift Quo Vadis
zur Hand um meinen persönlichen Seminarkalender für das Jahr 2018 zu erstellen.
Scheitern – dieses Wort im Thema des Rollenspielseminars 2018 sprang mir sofort ins Auge. Gelingt es mir nicht immer wieder, an Aufgaben und Vorhaben zu scheitern? Mehr noch, beherrsche ich nicht schon die Kunst, immer und immer wieder zu scheitern? Mir war sofort klar, dieses Seminar will ich besuchen!
Kennenlernen und erste Erkenntnisse
Es ist sicher hinlänglich bekannt, dass unsere Seminare im Regelfalle am Freitag um 18:00 Uhr mit einem gemeinsamen Abendessen beginnen, einer zeitlichen Abfolge unterliegen und am Sonntag nach dem gemeinsamen Mittagessen enden. Deshalb erspare ich mir an dieser Stelle, auf Qualität und Quantität des Essens, Ausstattung der Zimmer etc. näher einzugehen.
Am Freitagabend hatten wir, d. h. die Teilnehmer und der Referent Klaus Harter, die Gelegenheit uns kennenzulernen und uns mit dem Seminarthema anzufreunden. Klaus symbolisierte das Gelingen mit einem weißen, das Scheitern mit einem schwarzen Tuch. Wir Teilnehmer hatten die Aufgabe, uns entsprechend unserer Stimmung, zu positionieren. Schwarz oder weiß, schnell war mir meine Position klar. Natürlich Schwarz! Mit Erstaunen und Bewunderung sah ich, wie die anderen Teilnehmer die beiden Pole mit weiteren bunten Tüchern und Seilen miteinander verbanden. Hier ein grünes Tuch als Symbol für Hoffnung und Zuversicht, dort ein Rotes für Feuer und Libido, Seile als Verbindung zwischen den Polen. Jeder von uns fand seine Position in der bunten Vielfalt, ich blieb, meiner Stimmung entsprechend bei Schwarz.
Schon dieser erste Abend weckte in mir Erinnerungen an Erkenntnisse, die ich in psychotherapeutischen Behandlungen und in früheren Seminare gewonnen hatte, die sich aber in meinem tiefsten Inneren versteckten.
- Die Welt ist nicht nur Schwarz und Weiß, sie kennt eine bunte Vielfalt von Farben und Formen.
- Auf jedes Scheitern folgt ein Neuanfang mit ungewissem Ausgang.
- Ein Scheitern bringt neue Erkenntnisse und Erfahrungen und kann deshalb ein gelingendes Scheitern sein.
Psychodramen
Den Samstag nutzten wir, um Konflikte schauspielerisch nachzustellen und Ansätze zu finden, uns von diesen Konflikten zu befreien. Den Tag über verstand es Klaus, die Bühne nach den Vorstellungen der Protagonisten (Hauptdarsteller) vorzubereiten.
Die Protagonisten waren die Regisseure der Psychodramen. Sie wählten die darzustellenden Szenen, beschrieben die Bühnenbilder und wählten sich ihre Mitspieler
(Antagonisten) aus. Im Spiel nahmen die Antagonisten die Rollen von Hilfs-Ichen
und realen oder fiktiven Personen aus dem Konfliktfeld der Protagonisten ein.
Auch Gefühle wurden von den Antagonisten bildlich dargestellt.
Im psychodramatischen Spiel konnten die Protagonisten Konflikte nachspielen, durch Rollentausch mit den Antagonisten den persönlichen Konflikt aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und ggf. Ansätze zur Lösung ihres Konflikts finden.
Im Anschluss an jedes Psychodrama gab es drei Feedback-Runden:
- Im Sharing teilten wir – Mitspieler und Zuschauer – mit, welche eigene Lebenserfahrung wir mit dem gesehenen und miterlebten Spiel verbanden.
- Die Mitspieler berichteten im Rollenfeedback, was sie in ihren Rollen erlebten.
- Die Zuschauer teilten im Identifikationsfeedback mit, mit welchen Rollen des Spiels sie sich identifizierten und in welcher Form sie emotional mitgegangen waren.
Überhänge
Den ersten Teil des Sonntagvormittags nutzten wir, um Überhänge der beiden Vortage zu besprechen. Es zeigte sich schnell, dass einige von uns emotional sehr von den Rollenspielen bewegt waren und es wichtig war, darüber zu sprechen.
Hühnergackern
Vor dem Mittagessen und dem Abschied hatten wir noch etwas Zeit, die Barbara mit einer kurzen Einführung in Lachyoga
überbrückte. Das Hühnergackern
,
als Übung der Lachyoga, trug dazu bei, die emotionalen Spannungen zu lösen, so dass wir mehr oder weniger entspannt die Heimreise antreten konnten.
Mein persönliches Fazit
Gerade gehen mir sehr viele Gedanken durch den Kopf. Wie habe ich das Seminarwochenende erlebt? Was hat mich bewegt? Was hat das Seminar in mir ausgelöst? Einige dieser Gedanken will ich gerne in meinem Fazit zu Papier bringen.
Ich bin froh darüber, dass ich der großen Kreuzbund-Familie angehören darf. Gerade in dieser Familie darf ich meine Gefühle zeigen, darf ich zeigen, dass es mir auch einmal schlecht geht. Ohne dass ich Repressalien zu befürchten habe. Im diesjährigen Rollenspielseminar wurde mir das besonders bewusst.
Ich fühle mich geehrt, in welch hohem Maße mir Vertrauen geschenkt wird. Auch von Menschen, die ich gerade kennenlernen durfte und von denen ich, bis dato, nicht mehr als den Namen kenne.
Die Hauptdarsteller konfrontierten mich, in schonungsloser Offenheit, mit Themen, von denen ich bisher nur gelesen oder gehört hatte. Ich war mehr als einmal tief berührt – traurig, zornig, voller Scham - von den Schicksalen einzelner Weggefährtinnen und Weggefährten.
Vielleicht das Vertrauen, vielleicht die Offenheit zeigten bei mir ihre Wirkung – ich konnte auf Menschen zugehen und sagen, dass sie mir sympathisch sind. Und das nicht auf der Bühne des Psychodramas, sondern im realen Leben.
Psychodrama
Begründer des Psychodramas war der 1889 geborene Wiener Arzt (Psychiater, Soziologe und Philosoph) Jakob Levy Moreno.
Er war ein Pionier der Gruppenpsychologie und der Gruppenpsychotherapie. Er entwickelte die Methode zu Beginn des 20. Jahrhunderts – als Arzt eines Flüchtlingslagers,
als Leiter eines Stegreiftheaters, als Supervisor von Gefängnissen und Heimen und nicht zuletzt als Leiter eines psychiatrischen Krankenhauses.
1925 hat Moreno das Psychodrama in den USA eingeführt und weiter ausgearbeitet. Heute wird das Verfahren weltweit angewandt.
Psychodrama dient der Untersuchung, Förderung und Therapie der Interaktion, Soziometrie der Erforschung, Entwicklung und Behandlung zwischenmenschlicher Beziehungen und Netzwerke.
Rollenspiel und Rollentraining sind bewährte Vorgehensweisen.
Ziel der psychodramatischen Vorgehensweise ist, die körperliche, seelische und soziale Gesundheit des Menschen zu fördern, zu erhalten bzw. wiederherzustellen oder zu verbessern. Demgemäß wird das Psychodrama mit unterschiedlichen Schwerpunkten und feldspezifischen Modifikationen als Methode für Gruppen- und Einzelarbeit angewandt.