Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Hubert Grimming, Oberkirch

Bericht: Gruppenleitunger Arbeitstagung I 2018

Zeit27.–29.4.2018
OrtSchön­statt­zentrum Marienfried
ThemaFührung - Drangsalierung oder Laissez-faire
ReferentinUrsula Portscht, AGJ Freiburg
BerichtFriedrich Mey, Löffingen
NachtragUrsula Portscht, AGJ Freiburg

Nach einer Anwärmübung zum Start in den Arbeitstag stellte sich die Referentin für die­jenigen vor, die sie noch nicht kannten. Anschließend tauschten sich je zwei Personen zu folgenden Fragen aus:
Was wünsche ich mir für diesen Tag,
was interessiert mich besonders bei diesem Thema,
was beschäftigt mich?
Im Plenum wurden die Ergebnisse zusammen­getragen und am Flipchart visualisiert:

  • Rolle und Aufgaben der Gruppen­leitung
  • Der gute Mittelweg zwischen autoritär und laissez faire
  • Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Führungsstile
  • Wie leite ich meine Gruppe, was ist mein Stil?
  • (Aus-)Wirkungen verschiedener Führungsstile

Grundsätzlich kann man drei verschiedene Führungsstile unterscheiden:

autoritär: auf eine Gruppe übertragen würde das z.B. bedeuten, dass die Gruppen­leitung stark dominiert, eigenständig Ablauf und Inhalte bestimmt, Dinge durchsetzt

demokratisch: hier bezieht die Gruppen­leitung alle Gruppen­mitglieder ein und Entscheidungen werden gemeinsam getroffen

laissez-faire: Zurückhaltung und weitgehender Verzicht auf das Eingreifen der Leitung.

Jeder dieser Stile hat Vor- und Nachteile: in bestimmten Situation kann es erforderlich sein, klare Entscheidungen zu treffen und als Gruppen­leitung zu handeln (z.B. bei Regelverstößen), an anderen Gruppen­abenden ist keine Intervention notwendig. Grundsätzlich hat die Gruppen­leitung folgende Aufgaben an einem Gruppen­abend:

  • Das Gespräch eröffnen, Teilnehmer begrüßen
  • (Kurze) Befindlich­keits­runde / Blitzlicht
  • Gemeinsame Entscheidung über die Themen des Abends moderieren
  • Eventuell thematischer Input
  • Dafür sorgen, dass beim Thema geblieben wird
  • Zwischendurch zusammenfassen und Teilergebnisse festhalten
  • Auf Einhaltung von Gruppenregeln achten
  • Konflikteskalation vermeiden
  • Auf den Zeitrahmen achten
  • Befindlich­keits­runde zum Abschluss: wie gehe ich heute Abend von hier fort?

Das Gruppen­geschehen hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab:

  • Dem Setting (Räumlichkeiten, Arbeitsbedingungen, Verpflegung, Wetter, ...)
  • Der Persönlichkeit der Gruppen­leitung
    (Intelligenz, Charakter, Selbst­bewusst­sein, Geduld, ...)
  • Der Kompetenz der Gruppen­leitung (Naturtalent oder gute Ausbildung)
  • Den Instrumenten, die von der Gruppen­leitung eingesetzt werden
    (Regeln, Infor­mationen, Gesprächsführung, Delegieren, Methoden, Strukturen, ...)
  • Den Gruppen­mitgliedern, deren Merkmale und Verhaltens­weisen die Art der Führung erheblich beeinflussen
    (Motive, Kenntnisse, Fertigkeiten, Erwartungen, Rollenmerkmale, Antriebe und Gesundheit, ...)
  • Die Gruppe als Ganzes, deren Struktur sich auf die Gruppenführung auswirkt
    (Phase, Frequenz, Gruppengröße, Dauer, offen, Zeit der Zugehörigkeit, verbandliche Verortung, ...)
  • Auftrag und Ziele der Gruppe
    (gegenseitige Unter­stützung, Raum zur Problembearbeitung, zufriedene Abstinenz, Haltequote der Gruppe, gewinnen von Neuen, ...)

Die Gruppen­leitung ist Mitglied der Gruppe wie andere auch.
Sie kann eigene Anliegen einbringen und bearbeiten.
Sinnvoll ist dann, die Moderation für den Abend abzugeben.

Für den nächsten Arbeitsschritt bittet die Referentin alle Gruppen­leiterinnen und Gruppen­leiter in einen inneren Rollen­tausch zu gehen: Stellt Euch vor, Ihr seid ein ganz normales Gruppen­mitglied ohne Funktion und kommt neu in eine Gruppe – was wünscht Ihr Euch von einer guten Gruppen­leitung – was wollt ihr auf keinen Fall?

Diese Frage­stellung wird in Kleingruppen erarbeitet, hier die Ergebnisse mit der Anmerkung, dass es nicht leicht war, immer in der Rolle des Gruppen­mitglieds zu bleiben:

Ich wünsche mir:Ich will nicht:
  • Soziale Kompetenz
  • Einfühlungsvermögen
  • Interesse, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit
  • Willkommenskultur (Gruppenkultur)
  • abgeholt werden
  • jeder ist gleich Wert (Augenhöhe)
  • Vertrauenswürdigkeit (Vertraulichkeit, Ernstnehmen von Datenschutz und Verschwiegenheit nach außen)
  • Wert­schätzung
  • Sicherheit, Fachwissen und Kompetenz
  • konstruktive Rückmeldung
  • kennt seine Grenzen
  • Toleranz (hat Grenzen)
  • Ehrlichkeit, Transparenz
  • Ernsthaftigkeit
  • Mut, Konfliktfähigkeit: kann Probleme offen ansprechen
  • positive Zuversicht vermitteln
  • Moderation
  • achtet auf Struktur und Einhaltung von Zeit und Regeln
  • Zuverlässigkeit
  • Verständnis, Akzeptanz
  • Klarheit
  • Leidenschaft
  • Entfaltungsmöglichkeiten
  • Druck
  • Bewertung („Schubladentheorie“)
  • Besserwisserei
  • Überheblichkeit
  • Bevormundung
  • Lästern / dass über Abwesende schlecht gesprochen wird
  • Verwirrung und Unsicherheit
  • Abwertung
  • Tratsch, Zuquatschen
  • kein Harmonieterror oder Scheinharmonie
  • Verschlossenheit
  • keine starren Positionen
  • keine Kränkungen

Am Nachmittag findet ein Rollenspiel statt zum Thema Umgang mit schwierigen Situationen in der Gruppe. Den Hintergrund des Spielszenarios bildet ein Gruppen­abend, der aufgrund von Störungen (störendem Verhalten) aus dem Ruder läuft. Aus der Runde des verbliebenen Auditoriums (ohne Teilnehmer, die das Rollenspiel absolvieren) werden verschiedene Varianten für Möglichkeiten der Gruppen­leitung vorgeschlagen und gleich ausprobiert, hierbei gibt es viele Wechsel in der Rolle der Gruppen­leitung, es darf ausprobiert werden, was funktioniert und was nicht, auch hier gibt es eine Fülle von Ideen, es geht darum, den eigenen Stil zu finden und in der persönlichen Schatzkiste fündig zu werden.

Die Gruppen­leitung moderiert die Sitzung, ist aber nicht allein verantwortlich für das Gelingen eines Gruppen­abends. Die Verantwortung liegt auch bei jedem einzelnen Gruppen­mitglied.

Was tun, wenn die Moderation (Gruppen­leitung) schiefläuft:

  • Unterbrechen – Auszeit nehmen (Pause)
  • momentane Situation / eigene Befindlichkeit spiegeln
    (ich fühle mich gerade irgendwie unwohl)
  • Nachfragen, wie es den Anderen momentan geht (strukturierte Rückmelderunde)
  • Zusammenfassung der aktuellen Situation
  • am Ende Abschluss-Blitzlicht

Nachdem die Referentin auf Wunsch der Teilnehmer noch kurz von ihrer Arbeit als Beauftragte für Anvertrautenschutz im AGJ-Fachverband berichtet und die neue Suchthelferschulung ankündigt, die im Oktober 2018 beginnt, stellt sie für die Abschlussrunde die Frage:

Was nehme ich von heute mit, was war mir besonders wichtig, was habe ich gelernt

und bedankt sich bei allen Teil­nehmenden für die Disziplin, das Engagement und die lebhafte Beteiligung.

Nachtrag der Referentin zum Protokoll

Gruppenbezogener Führungsstil nach Rahn [1]

Dieser Führungsstil richtet sich nach den einzelnen Gruppen­mitgliedern bzw. nach der Art der ganzen Gruppe. Jeder Mitarbeiter wird anders behandelt, entsprechend seinem Verhalten und Benehmen und seinem Ansehen in der Gruppe. Auch jede Gruppe ist als Gesamtheit je nach ihrer Gruppenart unter­schied­lich zu führen. Es sind folgende gruppenorientierte Führungsstile zu unterscheiden:

  • Integrierend bei Neulingen und Außenseitern, z. B. durch geschicktes Heranführen an die Gruppe und durch Anbieten von Hilfe.
  • Fördernd bei Leistungsstarken und Gruppenstars, z. B. durch Übertragung von Kompetenzen und Verantwortung. Auch leistungsstarke Gruppen benötigen angemessene Anreize, z. B. Gruppenlob bei hervortretenden Gruppenleistungen.
  • Wert­schätzung ist auch bei Frohnaturen, ausgleichenden und geselligen Gruppen­mitgliedern angebracht, z. B. durch Anerkennung ihrer Gruppenbeiträge bzw. durch Würdigung ihrer Gruppenerhaltungsrollen.
  • Bremsend bei Frechen, Rädelsführern, Querulanten, Ehrgeizlingen, Intriganten und Gruppenclowns.
  • Ermutigend bei Schüchternen und Problembeladenen, z. B. durch Ermunterung, Verständnis, Anteilnahme und positive Haltung. Stille Gruppen sind als Ganzes ebenfalls ermutigend zu führen, um ihr Selbst­bewusst­sein zu stärken.

Referenzen

[1] H. J. Rahn, Erfolgreiche Teamführung, 6. Auflage, Hamburg 2010
ISBN 978-3-937444-66-6