Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Bericht: Gruppenleitungs Arbeitstagung November 2017

Zeit3.11.–5.11.2017
OrtSchönstatt Zentrum, Oberkirch
ThemaDazugehören
ReferentenHeinz-Josef Janßen und Gerhard Iser, Kreuzbund Bundesverband
BerichtFriedrich Mey
BilderGerhard Häring

Erstmals in seiner Geschichte führt der Kreuzbund unter dem Motto "dazugehören" eine flächendeckende Veran­staltungsreihe in allen Diözesan­verbänden durch. "dazugehören" setzt sich mit dem "Wir-Gefühl", der Verbundenheit und der Identifikation mit dem Verband auseinander. Im Rahmen der Kampagne sollen zentrale Kernbotschaften des Kreuzbundes formuliert sowie die Aufnahme- und Willkommenskultur im Kreuzbund weiterentwickelt werden. Die Kampagne versteht sich als Prozess, der Raum schafft für umfassende Beteiligung, intensive Begegnung, gemeinsames Arbeiten und das Wachsen und Vertiefen des "Wir-Gefühls" im Kreuzbund.

Im Rahmen der flächendeckenden Veran­staltungsreihe findet die Moderationsmethode des World-Cafés Anwendung. Die Methode World Café fußt auf der zentralen Bedeutung des Gesprächs zwischen Menschen. Durch Gespräche wird gelernt, wird die Realität in vielen unter­schied­lichen Facetten gesehen und werden Netze von Verbindungen geknüpft. Zukunft entsteht – in jeder Organisation und überhaupt – aus einem Gewebe von Gesprächen, Erkenntnissen, Ideen und neu erkannten Möglichkeiten.

Das World-Café fördert den informellen Austausch, aus dem Neues entstehen kann. Die Teilnehmer sitzen an Caféhaus-Tischen, an denen 6 - 8 Menschen Platz finden können. Die zwanglose Atmosphäre wird genährt durch Elemente, wie man Sie auch in Cafés findet: Speisekarte (Handlungsanleitung), Tischdecke (zum Festhalten der Ideen), Tischgesteck (Stifte und Marker), leise Musik, welche die Kommuni­kation fördert und die Scheu vor der neuen Methode nimmt – Gebäck, Getränke.

Die Teilnehmer finden sich in Gruppen um die Tische zusammen und diskutieren die gestellten Fragen. Nach ca. 20 Minuten wechseln die Teilnehmer die Tische und finden sich in neuen Konstellationen zusammen. Ein Gastgeber bleibt am Tisch zurück und trägt die Ergebnisse der ersten Runde in die nächste spontan entstandene Gruppe. So befruchten sich die Teilnehmer gegenseitig mit neuen Ideen und Perspektiven.

Die Arbeits­ergebnisse der Tische werden schließlich in einer Vernissage für alle Teilnehmer ausgestellt. Eine Diskussion nach der Besichtigung liefert ein Destillat der Erkenntnisse, welches dann als schriftlich aufbereitetes, gespeichertes Wissen zur Verfügung steht.

In der ersten Runde sind an den Tischen mit der wechselnden Zusammensetzung sechs formulierte Frage­stellungen thematisiert worden. Die Arbeits­ergebnisse wurden im Auditorium vorgestellt und diskutiert. Im Rahmen des Protokolls sind die verbalen Ausführungen zu den einzelnen Frage­stellungen festgehalten:

Frage 1: Was soll ein Neuer oder eine Neue in der Gruppe beim ersten Besuch wahrnehmen? Was nicht ?

Grundlegend ist zunächst auf die eigene Wahrnehmung beim ersten Besuch eines Gruppen­treffens zurückzugreifen. Die Frage­stellung nach den damaligen eigenen Befindlich­keiten, Erwartungen und Gefühlen ist zu stellen. Gleichzeitig ist aber auch die weitere Frage zu beantworten, bin ich bei der der ersten Gruppen geblieben oder hat sich eine Veränderung ergeben.

Meine Erwartungen waren, dass ich Herzlichkeit vorfinde und als Mensch / Person wahrgenommen werde. Diese Erwägungen beziehen sich auf die persönliche Wert­schätzung. Wichtig vor allem ist, dass sich die bisherigen Gruppen­mitglieder und das neue sich gegenseitig akzeptieren. Sicherlich ist davon auszugehen, dass sich relativ schnell herauskristallisiert, was uns oder eben nicht verbindet. Der indi­viduellen Selbstbestimmung kommt eine wesentliche Funktion zu: ich entscheide, wo, wann und ob ich rede! Ein Gefühl der menschlichen Vertrautheit muss sich entwickeln. Ich möchte mich wohlfühlen. Der Begriff der Toleranz ist einer der wesentlichen Grundwerte des Kreuzbundes.

Dem ersten Besuch in der Gruppe sollte ein Vieraugen-Gespräch mit der Leitung vorangehen. Der / dem Neuen sind die bestehenden Angstgefühle zu nehmen. Das "Wir-Gefühl" ist zu thematisierten. Andererseits sollten die Erwartungen von beiden Seiten nicht zu hoch angesetzt werden. Das Gruppentreffen beginnt mit einer kurzen Vorstellungs­runde aller Anwesenden. Der Vermittlung von "Ich"-Botschaften kommt ein grundlegender Faktor zu. Die neue Person sollte nicht mit einer Flut von Fragen konfrontiert werden.

Frage 2: Was muss geschehen, damit er oder sie wiederkommt und bleibt? Was ist hinderlich?

Das Allein­stellungs­merkmal des Kreuzbundes und der anderen einschlägigen Organisationen und Verbände (z.B. Blaues Kreuz, Guttempler u.a.) ist die Selbsthilfe. Jeder Betroffene ist eigenverantwortlich für seine Handlungsweise. Die Aufgabe der Gruppe besteht u. a. darin Hilfe zur Selbsthilfe zu vermitteln. Die Weiterleitung von, wenn auch gut gemeinten Ratschlägen ist sicherlich zu wenig. Jeder muss seinen eigenen indi­viduellen Weg in die dauerhafte Abstinenz finden. Hierbei kann ich aber von den Erfahrungen der anderen partizipieren. Gleichzeitig ergibt sich für mich durch die Gruppe eine Plattform, von den eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen zu berichten. Ich werde aber nur von mir erzählen, wenn ich mich aufgehoben fühle.

Innerhalb der Gruppe ist nicht nur der tolerante Umgang zu propagieren, sondern die Toleranz muss gelebt werden. Neben den typischen Alkoholikern gibt es sehr wohl weitere Suchtfelder. Krankheitsbedingte Abhängig­keiten (Süchte) können sowohl stoffgebunden als auch stoffungebunden entstehen. Im Übrigen rekrutieren sich die Gruppen sowohl aus Betroffenen als auch Angehörigen. Insofern gilt es ein tolerantes Miteinander zu generieren. Einfühlungsvermögen und das indi­viduelle richtige Gespür sind notwendig. Ein sensibler Umgang untereinander ist daher von grundlegender Bedeutung.

Frage 3: Stichwort Patenschaft. Gibt es Ideen dazu?

Der Begriff Patenschaft ist vom Lotsen­netzwerk zu unterscheiden. Als Patenschaft wird die freiwillige Übernahme einer Fürsorgepflicht bezeichnet (Quelle: Wikipedia). Das neue Mitglied sucht sich in der Regel eigenständig die Bezugsperson innerhalb der Gruppe aus. Dies kann im Einzelfall die Gruppen­leitung, aber auch ein anderes Mitglied sein. Die / der Betroffene wird eigene Aktivitäten entwickeln. Der Austausch von Adressen- bzw. Telefonlisten schon beim erstmaligen Aufeinandertreffen sollte wohlüberlegt sein. Eine gewisse Zurückhaltung ist sicherlich zunächst angebracht.

Im Einzelfall ist es eventuell sogar notwendig, einen konkreten Ansprech­partner aus der Gruppe als Paten zu benennen. Hier kommt der Gruppen­leitung eine Steuerungsfunktion zu.

Frage 4: Wie werden Rückkehrer oder Rückfällige am besten willkommen geheißen?

Die Rückfallprophylaxe ist in die Gruppen­arbeit einzubinden. Hierbei wird den Teilnehmern auch vermittelt, dass ein Rückfall einfach Bestandteil des Krankheitsbilds darstellt. Im Rahmen der Prophylaxe wird die Verwendung von Abstinenzkarten empfohlen. Der Rückfall gehört daher zur Normalität. Durch eine solche Handlungsweise soll den Betroffen der Weg aufgezeichnet werden, dass auch in diesem Fall die Gruppe sehr wohl Hilfestellung leisten kann. Möglichweise wird hierdurch auch der Weg zurück in die Gruppe erleichtert.

Ein Rückfall geht üblicherweise mit einem Schamgefühl und dem Gefühl des Versagens (Scheitern) einher. Auch bei Rückfall gilt die Selbstbestimmung des Betroffenen, wo, wann und ob er redet. Die Gruppe bietet aber die Chance, dass die Geschehnisse aufgearbeitet werden können.

Bei Beginn des Gruppentreffens kommt der Leitung die Aufgaben­stellung in Form einer Frage­stellung zu, ob es irgendwo brennt, d.h. ein dringendes Thema zur Behandlung ansteht. Hierdurch soll dem Betroffenen eine Brücke gebaut werden. Wichtig ist, dass dem Betroffenen Vertrauen und ehrliches Interesse entgegen­gebracht wird. Die Formulierung von Vorwürfen ist absolut tabu. Andererseits sollte keine übertriebene Fürsorge an den Tag gelegt werden.

Der Rückfall ist aber grundsätzlich als Sonderfall einzustufen und stellt eine absolute Krise dar. Als Betroffener fühle ich mich klein und traue mich nicht andere darauf anzusprechen. Auch habe ich im Vorfeld möglicherweise von der Abstinenzkarte keinen Gebrauch gemacht.

Frage 5: Wie muss die Gruppe vernetzt sein, damit Neue den Weg finden?

Die Vernetzung der Gruppe ist ein wesentlicher Teil der Öffent­lich­keits­arbeit. Ein regelmäßiger Hinweis in den Tageszeitungen und den kommunalen Amtsblättern auf die Treffen der einzelnen Gruppen mit Angabe von Kontaktdaten stellt in diesem Zusammenhang eine wichtige Funktion dar.

Die Zusammenarbeit mit den Suchtberatungsstellen und die Vorstellung des Kreuzbundes in den einschlägigen klinischen Einrichtungen bildet ein weiterer Baustein der Öffentlichkeits­arbeit. Auch kommt der Verbreitung von Infor­mationen oder Empfehlungen durch mündliche Weitergabe im persönlichen Gespräch (= Mundpropaganda) ebenfalls eine wichtige Funktion zu.

Die Präsenz von Gruppen in den sozialen Netzwerken stellt eventuell eine weitere Möglichkeit der Information dar.

Die geschilderten Erfahrungen über die Zusammenarbeit mit den Suchtberatungsstellen stellt eine deutliche Bandbreite dar. Einerseits wird von einem kollegialen Miteinander berichtet. Andererseits ist ein Konkurrenzdenken bemerkbar, da die Träger der Suchtberatungsstellen eigene Selbst­hilfe­gruppen mit e inem hauptamtlichen Therapeuten unterhalten.

Die Gruppe wird sich kompetente Koopera­tions­partner suchen. Die Beteiligung im Rahmen von (über-)regionalen Suchthilfenetzwerken ist zu empfehlen.

Frage 6: Gibt es Ideen für eine Verbesserung der Willkommenskultur?

Der neuen Person wird nicht unser Leitbild vorgelesen, sondern vorgelebt. Den Spirit erleben die Neuen, indem wir zeigen, was Kreuzbund Gruppen sind. Wir reden darüber, warum wir eine Kreuzbund Gruppe sind. Wir wollen die Neuen mitnehmen, ihnen vertrauen und ihr Vertrauen gewinnen. Wir möchten ihnen den Weg zeigen, frei über alle Sorgen und Nöte zu sprechen, auch außerhalb des Alkoholproblems. Sie sollen einfach spüren, dass sie mit uns und wir mit ihnen sprechen können und dass wir gemeinsam nach Hilfe bei bestehenden Problemen suchen. Wir zeigen den Neuen die Verbundenheit der Kreuzbündler. Wir schließen die Neuen in unsere verschiedenen Freizeitaktivitäten ein und sie können sich mit uns fortbilden. Das Leben in der Kreuzbund Gruppe soll auch sie in eine zufriedene, dauerhafte Abstinenz führen.

In der zweiten Gesprächsrunde sind wiederum an den Tischen mit der wechselnden Zusammen­setzung zwei formulierte Frage­stellungen thematisiert worden. Die Arbeits­ergebnisse wurden im Auditorium vorgestellt und diskutiert. Im Rahmen des Protokolls sind die verbalen Ausführungen zu den beiden Frage­stellungen festgehalten:

Frage 1: Was macht uns als Kreuzbund stark und attraktiv? Was haben wir zu bieten? Womit können wir wirklich punkten? Was wäre eher eine Mogelpackung?

Der Kreuzbund stellt eine Vereinigung gleichgesinnter Personen bzw. eine Gemeinschaft mit gleichen Zielen dar. Die Gemeinsamkeiten gehen aber über das reguläre Gruppentreffen hinaus. Zwischen den Gruppen­mitgliedern bilden sich Freundschaften. Gemeinsame Freizeitaktivitäten werden zelebriert. Die sich bildenden sozialen Kontakte werden gepflegt.

Die klare Verbandsstruktur mit dem Ausbildungs- und Seminarwesen bildet einen wichtigen Faktor. Der Kreuzbund ist der einzige katholische Verband der Sucht­selbst­hilfe. Die Institution stellt ein Aushängeschild der katholischen Kirche dar. Unabhängig davon sind die Gruppen aber interkonfessionell ausgerichtet. Innerhalb der Verbandsstruktur treffen sich Betroffene und Angehörige auf Augenhöhe.

Die zunächst nach außen hin wahrnehmbare konfessionelle Ausrichtung des Kreuzbundes, kann auch eine deutliche Hürde für Neuzugänge darstellen. Innerhalb des Kreuzbundes ist das Gedankengut des Humanismus verbreitet: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Hier besteht durchaus eine Parallele zum SKM. Der dortige Slogan lautet: Der Mensch am Rande ist unsere Mitte.

Der Kreuzbund ist offen für alle Formen der Sucht, stoffbezogen oder nichtstoffbezogen. Dem regelmäßigen Gruppentreffen kommt eine grundlegende Priorität zu.

Frage 2: Bestimmte Sätze aus der Werbung werden sofort mit bestimmten Produkten in Verbindung gebracht – Was könnten Werbebotschaften oder Verkaufsargumente für den Kreuzbund sein?

Nachfolgend eine nicht abschließende Aufzählung von Vorschlägen für Werbeslogans:

  • Freiheit beginnt, wo Sucht endet
  • Kreuzbund macht sicher, selbstbestimmend
  • Ich achte meinen Partner, weil er / sie so offen ist
  • Raus aus Sucht und Abhängig­keit
  • Kreuzbund, die Gruppe ist unsere Stärke
  • Selbsthilfe ist keine heile Welt
  • Menschen in der aktuellen Sucht haben indi­viduelle Erfahrungen
  • Abstinenz gibt Sicherheit
  • Alkoholiker? Ist doch kein Beinbruch