Unsere Gruppenleiterin Roswitha hatte mich auf meinen Wunsch für das Seminar angemeldet, die Seminargebühren waren bezahlt. Voller Erwartungen und Vorfreude erwartete ich das Seminarwochenende, beschäftigte mich die Frage Wie haben meine Eltern mein jetziges Leben beeinflusst? seit längerer Zeit, ohne dass ich eine zufriedenstellende Antwort für mich fand.
Am 16. Juni 2017 war es dann soweit. Mit 17 weiteren Teilnehmern, überwiegend aus Karlsruhe und Ettlingen kommend, fand ich mich gegen 18:00 Uhr im Gästehaus der Dominikanerinnen des Klosters Neusatzeck bei Bühl ein. Beim gemeinsamen Abendessen hatten wir Gelegenheit uns ein wenig kennenzulernen.
Freitag
Die Seminarleiterin Barbara begrüßte uns im Seminarraum und übergab danach das Wort an die Referentin Janine. Als Start in das Seminar bekamen wir die Aufgabe gestellt, uns in einer Reihe zu formieren, zuerst geordnet nach Namen und danach geordnet nach Dauer der Abstinenz.
Die erste Aufgabe war schnell gelöst. Das Lösen der zweiten Aufgabe gestaltete sich etwas schwieriger. Wir diskutierten Begriffe wie Ausrutscher, Vorfall und Rückfall, behaupteten unsere Position in der Reihe oder tauschten die Plätze. Letztendlich hatten wir auch diese Aufgabe gelöst.
Die nächste Aufgabe bestand darin, jeweils genau eine Eigenschaft in einem Wort von Mutter und Vater auf verschiedenfarbige Kärtchen zu schreiben. Das Lösen der Aufgabe gestaltete sich schwieriger als gedacht. Mir fielen viele Eigenschaften für Mutter und Vater ein und nur jeweils eine davon durfte ich notieren. Ich musste mich auf das Wesentliche konzentrieren und nach längerem Überlegen schrieb ich die Eigenschaften auf, die mir in diesem Moment als die prägnantesten schienen.
Zum Abschluss des 1. Tages sollten wir uns die Kärtchen betrachten und berichten, was uns dazu einfiel. Dazu teilte Janine uns in zwei Gruppen auf. Die Teilnehmerinnen analysierten die Kärtchen der Mütter, die Teilnehmer die der Väter.
Wir Männer betrachteten die Eigenschaften der Väter eher nüchtern und wertungsfrei, gaben dem Haufen von Kärtchen eine Struktur und fanden die Eigenschaften des deutschen Traummannes:
- Herkunft
- Herrschend
- Ordnung
- Stark
- Funktionierend
- Mit der Familie etwas unternehmen
Bei den Frauen herrschte das kreative Chaos, die Kärtchen lagen wild durcheinander. Anders als wir Männer bezogen die Frauen bei der Betrachtung auch das damalige Umfeld mit. Das Ergebnis: Unsere Mütter waren zu ihrer Zeit ganz in den Dienst der Familie gestellt und das entsprach dem damaligen Frauenbild. Dass eine Frau stark war, konnte man nur zwischen den Zeilen lesen, genannt wurde die Eigenschaft Stark auf keiner der Karten.
Eigenschaften sind zunächst Neutral. Erst in Betrachtung in einem Kontext empfinden wir sie als positiv oder negativ.
Samstag
Nach einer Aufwärmungsrunde stellte uns Janine die erste Tagesaufgabe vor. Jeder von uns sollte überlegen, was die am Vortag notierten Eigenschaften von Mutter und Vater in uns ausgelöst haben. Auch bei dieser Aufgabe mussten wir uns auf ein Wort beschränken, was die Sache nicht einfacher machte. In der Gruppe besprachen wir die Resultate. Janine erklärte, dass unser Gehirn Verknüpfungen zwischen den Eigenschaften der Eltern und unseren Gefühlen hergestellt und gespeichert hat. Mir wurde z.B. klar, dass ich heute noch eine (kindliche) Angst vor meinem Vater habe.
Unser Großhirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen (Neuronen). Beim Lernen, Erfahren, Fühlen, etc. baut ein Neuron Verbindungen (Synapsen) zu anderen Neuronen her. Eine Erfahrung ist gespeichert.
Verbindungen von früher stimmen heute u.U. nicht mehr und müssen neu aufgebaut werden.
Die Vorarbeit war geleistet. Einige Ergebnisse der vorherigen Aufgabe lieferten die Themen die Rollenspiele.
Rollenspiel Woher kommt meine Sucht
M. beschäftigt sehr die Frage Woher kommt meine Sucht?. Sehr anschaulich betrachteten wir unter Anleitung von Janine die Thematik. Mit bunten Tüchern zeichnete M. seinen Lebensweg auf den Boden. Jeder Farbwechsel symbolisierte ein wichtiges, richtungsweisendes Ereignis in seinem Leben. Danach schritt M. seine Lebenslinie ab, bis zu dem Zeitpunkt an dem die Sucht in sein Leben trat. Ab hier übernahm eine Teilnehmerin gekonnt die Rolle der Sucht. Sie wich M. nicht mehr von der Seite. Nach und nach kamen weitere Teilnehmer auf die Bühne, die unterschiedliche Gefühle wie Traurigkeit, Unzufriedenheit, Unruhe, Angst, usw. darstellten. Oftmals war die Sucht versteckt, aber immer wenn die Gefühlswelt nicht mehr in Ordnung war, drängte sie sich in den Vordergrund.
Übernehmen einige Gefühle die Übermacht, ist die Gefühlswelt nicht mehr in Ordnung und die Sucht kann/wird wieder zuschlagen.
Achtsamkeit hilft andere Gefühle zu steuern um ein Gleichgewicht zu erlangen und zu halten.
Rollenspiel Abnabelung
O. reagiert oft gereizt und aggressiv auf das Verhalten seiner Mutter. In einem Rollenspiel konnten er und die Gruppe bildlich darstellen was zwischen ihm und seiner Mutter steht und wie dieser Konflikt gelöst werden kann.
Zuerst wurde das Bühnenbild aufgebaut. Or. übernahm die Rolle der Mutter, R. die Rolle des stillen Vaters und D. die des behinderten Bruders. O. selbst wurde bestärkt von M., der auch auf die Bühne kam. Jetzt nannte O. typische Sätze seiner Mutter, wie
- Hast Du das richtig gemacht?
- Du kannst das nicht!
- Aus Dir wird nie etwas!
Für jeden dieser automatischen Sätze stellte sich ein Seminarteilnehmer zwischen O. und seine Mutter. O. musste nun auf jede Äußerung der Mutter eine Antwort geben und der Satz verschwand von der Bühne. Letztendlich war die Sicht auf seine Mutter war wieder frei.
Eine Mauer von Sätzen verdeckt den Menschen.
Automatischen Sätzen muss man sich stellen und Antworten finden.
Lange Beziehungen können Blockaden aufbauen.
Nach diesem Rollenspiel war es schon Zeit für das Abendessen. Uns erwartete ein leckeres Salatbuffet (im Kartoffelsalat könnte ich baden). Die meisten Teilnehmer ließen den Tag bei einem (oder auch zwei) Eis im Eiscafé La Venicé in Neusatzeck ausklingen.
Sonntag
Den Sonntag nutzten wir, für einen Rückblick auf die beiden vergangenen Tage und fassten zusammen, was wir erarbeitet hatten. Sicherlich konnte jeder von uns etwas mit nach Hause nehmen.
Bedanken möchte ich mich bei den Dominikanerinnen des Klosters Neusatzeck, die freundlich und nett für unserer Wohl während des Aufenthaltes sorgten.