Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

Osterfreizeit Karlisgut

(Karlis-Häusle)

06. - 09. April 2012

 

Tag I (06. April 2012) Karfreitag - Anreisetag:

Ich fuhr um 08:38 Uhr alleine los, da eine Mitfahrerin abgesagt hat. Da ich letztes Jahr leider nicht dabei sein konnte, es waren keine Plätze mehr frei, war ich innerlich schon etwas aufgeregt. Das merkte ich daran, daß mein Magen-Darm Trakt etwas verrückt spielte. Die Fahrt über die Autobahn A5 mit fast nur Baustelle war noch erträglich. Solange der Wagen rollte, kam kein nerviges Stehen und Warten auf.

Ein Stück nach Offenburg war die Autobahn frei und ich konnte etwas zügiger fahren. Freiburg hatte wohl die grüne Welle für mich gebucht, obwohl ich eine andere politische Richtung bevorzuge. An einem Stück konnte ich schön gemütlich durchfahren.

Rosi, Helmut, Jürgen und Pascal sind bereits am Vorabend angereist. Wie mir Jürgen erzählt hat, war das "Stop-and-go"- Durchfahren von Freiburg eine echte Qual. Fast 1 Std. haben sie in der Rush Hour am Abend gebraucht. Helmut und Jürgen haben die Kreuzbund-Hinweisschilder an der Straßenseite angebracht. Nach der Umfahrung des Schluchsees konnte ich das erste Schild bereits sehen. So fand ich die Karlisgut-Hütte recht schnell. 10:50 Uhr, als ich auf die Uhr schaute und das Fahrzeug parkte. Das Thermometer zeigte 5° C, also recht frisch. An manchen Stellen lag noch Schnee. Als ich die Autotür aufmachte, schlug mir die herrlich feuchte Schwarzwaldluft entgegen. Der Geruch von nassem Laub und dem lockeren, mit Moos und Tannennadeln bedeckte Waldboden ist einfach berauschend. Das ist es, was ich an dieser Osterfreizeit so liebe, diese tolle und einmalige Schwarzwaldluft.

In der Einladung war die Bitte, dass ein Kuchen mitgebracht werden darf. Mit dem von meiner lieben Frau gebackenen Käsekuchen bewaffnet, ging ich in die bereits aufgewärmte Hütte und begrüßte die gestern angekommenen Gäste. Das Bett war schnell gerichtet, und ich konnte mich den ersten Zeilen für meinen Bericht widmen. Nach und nach kamen die anderen Gäste. Hallo Tamara, so begrüße ich die Tochter von Elke, die ich vor 2 Jahren das letzte Mal gesehen habe. Ich habe Tamara fast nicht mehr erkannt. Kinder verändern sich in zwei Jahren doch recht schnell. Auch bei Amy habe ich, was das Alter angeht, mich völlig verschätzt. Amy ist sehr verantwortungsbewusst und wirkt sehr reif und erwachsen.

Nachmittags, als alle da waren, gab es Kaffee und die vielen unter­schied­lichen tollen Kuchen, der von allen mitgebracht wurde. Verhungern brauchte wirklich keiner. Lesen, unterhalten, Spaß miteinander haben bis zum nächsten Essen. Zum Abendessen gab’s Nudelauflauf mit einem leckeren Rote Beeten Salat. Danach Abwasch, aufräumen und gemütliches Beisammensein. Um 22:30 Uhr wurde ich sehr müde, Bettruhe war angesagt.

 

Tag II (07. April 2012) Karsamstag:

Um 2 Uhr morgens wachte ich durch ein lautes Schnarchkonzert auf. Hatte ich doch zwei starke Schnarcher in unserem kleinen Kämmerlein. Die beiden ließen ihre Kehlkopfzäpfchen gemeinsam oder im Wechsel das Konzert begleiten. Meine Ohropax konnte ich nicht finden. So lag ich 2 Std. wach. Irgendwann habe ich beschlossen, mich an den noch warmen Kachelofen zu setzen. Nach einiger Zeit habe ich mir die Ohren mit Tempo-Papier verschlossen und ging wieder in mein Konzertzimmer zurück. Irgendwann um 05:30 schlief ich dann doch ein. Um 07.30 Uhr wurde ich dann durch einen schrillen Pfiff und dem Ruf „Helmut aufstehen“, aufgeweckt. Nicht ich war gemeint, sondern Helmut Wienecke.

Es roch bereits nach Kaffee, als ich ins Bad ging. Frühstück mit selbstgemachter Marmelade, frischer Wurst und Eiern. Danach etwas Zeit für sich selbst bis zum Mittagessen. Ich bin 1,5 Std. quer durch den unberührten herrlichen Wald gelaufen. Keine Menschenseele, nur Vogelgezwitscher und die herrliche Waldluft.

Ein Eichhörnchen, das kurz innehielt, mich anschaute und fragte, “Was macht Du hier in meinem Revier“? Mit einigen Sätzen verschwand es im nächsten Baumwipfel. Den Waldameisen war es noch zu kalt, ein bis zwei Ameisen - es mussten wohl Frühaufsteher sein - habe ich auf den zahlreichen Ameisenhaufen herumkrabbeln gesehen.

Nach dem Mittagessen ging es dann auf den 1057 m hoch gelegenen Riesenbühlturm. Der Turm ragt 35 m in die Höhe und hat bis zur Aussichtsplattform 140 Stufen. Wie an einem Schalter gedreht riss die Wolkendecke auf, und die Sonne kam zum Vorschein. Was für ein Ausblick.

Bis zum Bismarckdenkmal auf dem Seebuck auf dem schneebedeckten Feldberg reicht der Blick. Der Aufstieg hat sich gelohnt. An dieser Stelle noch eine Dankeschön an Bernhard, der die beiden Wanderrouten ausgesucht hat.

Beim Zurücklaufen habe ich einen mit tausenden Ameisen wimmelnden, aus Tannennadel erbauten Ameisenhaufen gesehen. Die Sonne hat den Rest des Ameisenvolkes zum Leben erweckt.

Freiwillige vor für den Abwasch. Ich bin dabei und suche mir noch zwei weitere Gehilfen. Die sind schnell gefunden. Genau so schnell war der Abwasch erledigt.

Nachdem Abendessen ist ein Teil der Gruppe in eine 2-stündige Osterpredigt mit anschließendem Abendmahl nach St. Blasien gefahren, der Rest blieb zuhause am warmen Kacheloffen und hat sich die Zeit mit Spielen, Diskussionen und Singen verbracht. 

 

Tag III (08. April 2012) Ostersonntag

Helmut Wienecke hat für alle Teilnehmer einen schönen Ostergockel mit Osternest gebastelt. Was für eine tolle Arbeit - an  dieser Stelle noch einmal ein dickes Dankeschön, Helmut!

Und es schneite, man glaubt es kaum. Hatte sich der Wetterbericht geirrt oder der Winter uns ein Schnäppchen geschlagen?

Den Morgen bis zum Mittagessen nutzte ich, um meine Eindrücke zu digitalisieren und die gemachten Bilder zu sichten. Zum Mittagessen gab es heute Zürcher Geschnetzeltes mit Knödeln und Makkaroni mit frischen Salaten. Nach dem Essen ging’s mit dem Auto zum Feldberg. Dort angekommen wurden die meisten Fahrzeuge ins Bärental gefahren, um diese später wieder abzuholen. Auf dem Feldberg waren die Skipisten offen und es hatte immerhin -7° C. Wie bereits erwähnt, hatte Bernhard für uns die schöne Wandertour zusammengestellt.

Vom Feldberg ging es über den Humanweg zum unter Naturschutz stehenden Feldbergsee. Von dort ging es nach Bärental, wo unsere Fahrzeuge standen. Wir waren 3,45 Std. für ca. 10 km unterwegs. Alle, von der kleinsten (Winke 4 Jahre) zum größten (Sebastian 72 Jahre jung), haben durchgehalten.

Zuhause angekommen wartet schon Rosis berühmte Schwarzwälder Kirschtorte, ein kräftiger Kaffee und schon das nächste Erlebnis auf uns.

 

Heiner hat das Lagerfeuer fürs Stockbrot bereits angefeuert. Dazu gibt es einen ostfriesischen Chai-Tee mit verschiedenen Früchten. Das war jetzt der richtige Abschluss nach der Wanderung. Zusammen verbringen wir den letzten Abend in der warmen Stube.

 

Tag IV (09. April 2012) Ostermontag – Abreisetag

Ich wachte um 05:30 Uhr auf und wußte, dass es heute wieder nach Hause ging. An dem heutigen Vormittag werden wir wieder die Besen schwingen, damit die nächste Freizeitgruppe ein sauberes und ordentliches „Karlisgut“ vorfindet.

Als ich wachlag, kam mir die Idee, zum Abschluss etwas über das „Karlis-Häusle“, so der frühere Name, zu schreiben. In der gesamten Hütte hängen alte Fotos mit aufwendig recherchierter Dokumentation. Ich gebe Euch die Geschichte über das frühere harte Leben der Bewohner im „Karlis-Häusle“, die mich selbst gefesselt hat, hier wieder:

 

Folgt man einer Jahreszahl auf einem Balken, der sich bei den Umbauarbeiten 1980 fand, wurde das Karlisgut 1796 erbaut. Auf alten Flurkarten firmiert es allerdings nicht als Gut, sondern als “Karlis-Häusle“. Dies trifft auch eher zu, denn zu einem Gut hat das Haus nie gehört. Diese waren im Hochschwarzwald, im Unterschied zur Rheinebene, nicht üblich, da im “swarz wald“ vor allem freie Bauern siedelten, die sich ihre Rechte als Freie aus mündlicher Zusagen der deutschen Kaiser seit dem 12. Jahrhundert herleiteten.

Feld- und Viehwirtschaft gab es aufgrund der kargen Böden, der Mühe der Urbarmachung und des Höhenklimas so gut wie nicht. Der Schwarzwälder Bauer lebte weitgehend autark. Er produzierte all das, was er zum Leben brauchte, weitgehend selbst.

Pius Wiesel, der Pächter, war kein reicher Mann. Ein Auto konnte er sich nicht leisten, geschweige denn einen Traktor. Er hatte 1946 das “Karlis-Häusle“ vom Forstamt bekommen, als sogenannter Kulturwart. Das bedeutete, er war Waldarbeiter, der im Auftrag des Forstamtes Bäume fällte, die neue Lichtungen aufforstete und auch sonst im Wald nach den Rechten sah. 1950 hatte der Pächter noch 5 Milchkühe, deren Milch im Leiterwagen zur Straße nach Schönbach transportiert werden musste. Außerdem waren 5 Schweine im Haus untergebracht, die den Fleischvorrat sicherten, sowie mehrere Schafe, Ziegen und Hühner.

Der heutige Aufenthaltsraum des Altbaus mit Kachelofen und *1-Chust war die gute Stube der Familie Wiesel. Hier spielte sich das Leben ab. Das Haus umfasste neben der Stube das Elternschlafzimmer oben (jetzt Schlafräume). Geheizt wurde das Haus (neben der Abwärme von Kühen, Schweinen, Schafen und Ziegen) durch den zentralen Kachelofen, der Lüftungsschächte in die oberen Zimmer hatte. Der Ofen war neben seiner Funktion als Heizung gleichzeitig Backofen für das Brot und sein Kamin Räucherkammer für Speck, Würste und Rauchfleisch aus den Hausschlachtungen. Neben Kartoffeln war Winterweizen die einzigen Feldfrüchte, die in dieser Höhenlage wuchsen. Alle anderen Früchte, Heidelbeere, Pilze, Himbeere, Tannenhonig wurden aus dem Wald geholt.

Typisch für die Schwarzwaldhäuser sind das Dach und die gesamte Außenfassade mit Holzschindeln gedeckt. Dies hatte den Vorteil, dass Beschädigungen durch die eigene Schindelproduktion beseitigt werden konnten, ohne fremde Hilfe in  Anspruch nehmen zu müssen.

In harten Wintern war der Pächter oft tagelang von der Außenwelt abgeschnitten, da der Weg nur mit Pferden und Holzpflügen gebahnt werden konnte. An diesen Tagen ging man wenig aus dem Haus, wenn es sein musste, nur in einem Notfall. Gab es keinen Weg in die Kirche, wurde der Gottesdienst am Sonntag selbst abgehalten. Jeder Nachbar war in dieser Einöde lieb und teuer.

Mit einem Bienenstand, der heute noch steht, versuchte der Pächtersohn selbst Honig zu gewinnen, der sich als nicht sehr erfolgreich herausstelle.

Das Haus besaß und besitzt noch heute eine eigene Wasserquelle, die im Brunnengang endete. Eine Stromleitung wurde 1950 gelegt, aber Elektrizität wurde nur spärlich gebraucht, da v.a. in  harten Wintern die Freileitungen unter den Schneemassen brachen. Außer einem Radioempfänger und einigen Lampen, die man durch Kerzen oder *2-Kienspan-Licht ersetzen konnte. Damit waren die Bewohner fast vollständig “autark“.

Vor dem Haus stapelten sich die Holzbeigen für den Kachelofen. Das Holz, sogenannte “Wellenbengel“, stammte aus den Ästen der gefällten Bäume und konnte kostenlos mitgenommen werden. Um möglichst viel Holzhacken zu vermeiden, war der Kachelofen so ausgelegt, dass auch lange “Wellen“ verfeuert werden konnten.

Pius Wiesel starb ebenso wie seine Frau 1956. Seitdem diente das Haus nur noch zur zeitweilig genutzten Waldarbeiterunterkunft, wodurch es zusehends verkam, bis es die AGJ 1980 kaufte.

*1-(Kachel-)Kunst oder Chust:

Die Kachelkunst ist traditionell im Schwarzwald und in der Schweiz beheimatet. Der genaue Ursprung ist nicht bekannt. Die Entwicklung der Kunst hängt auch von der Entwicklung des Herdes, von dem aus sie befeuert wird, ab. Ursprünglich wurde über offenem Feuer gekocht, über dem Herd befand sich eine Esse, daneben das Feuerloch des mit einem Backgewölbe ausgestatteten Stubenofens. Um die Abgase des Herdes abzuleiten, wurde in der Stube die Kunst (Chust od. Chouscht) mit einem eigenen Heizgaszug an den Kachelofen angebaut. Die damalige Kunst war eine manchmal zweistöckige beheizte Sitzbank mit Sandsteinabdeckung, die vom eigentlichen Kachelofen unabhängig beheizt wurde.

 

*2-Kienspan-Licht:

Bis vor kaum mehr als hundert Jahren war die offene Flamme das einzig bekannte Beleuchtungsmittel. Eine der ältesten und in Mitteleuropa weit verbreiteten künstlichen Lichtquellen war der Kienspan, ein harzdurchtränktes Stück Holz, meistens aus der besonders harzreichen Kiefer. Eine alte Bezeichnung für die Kiefer ist Kienföhre, daher der Name. Kienholz entsteht durch eine äußere Verletzung der Baumrinde: der Baum produziert zum Schließen der Wunde mehr Harz, welches verhärtet - das Holz verkient. Schneidet man diese Stelle in dünne Späne, so erhält man eine gute und minutenlang leuchtende Lichtquelle.

Helmut Schilling, Gruppe Karlsruhe Durlach, Fotos: Helmut Schilling