Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft

für Suchtkranke und Angehörige

Diözesanverband Freiburg e.V.

KreuzbundDiözesanverband Freiburg e.V.

 

Gruppen­leiter­arbeits­tagung vom 06.bis. 08.12.2013 in Oberkirch

Thema : "Entwicklung von Beziehungs­geschichten in der Gruppe"

Referent: Klaus Harter, Sigmaringen

 

Der Prozess einer Gruppe umfasst die gesamte Entwicklung der Gruppe, die klassischen Phasen, die Verteilung der Rollen, die Bestimmung der Ziele und Aufgaben, die Bildung der Normen und Regeln, die Gestaltung der Kultur, die Verteilung von Macht, die Aufnahme neuer Mitglieder, der Umgang mit Dritten und anderen Gruppen. Jedes aktive Handeln in der Gruppe gehört zum Prozess und ist dynamisch. Der Prozess wird als "Gruppendynamik" bezeichnet. Die Eigenschaften und Fähigkeiten einer Gruppe sind mehr als die Summe der Eigenschaften und Fähigkeiten der einzelnen Personen der Gruppe.

Gruppenleiterarbeitstagung

Als hauptsächliche Begründer der Gruppendynamik gilt Jakob Levy Moreno (1889 – 1974), der die Gruppe in die Therapie eingeführt hat,der zur Entwicklung der Angewandten Gruppendynamik wesentlich beigetragen hat und der die Bezeichnung Gruppendynamik schon 1938 benutztedann sein Schüler Kurt Lewin (1890–1947), Begründer der Feldtheorie (Psychologie) und einer der Pioniere der Gestalttheorie beziehungsweise Gestaltpsychologie, der den Begriff erstmals 1939 in seinen Veröffentlichungen benutzte; außerdem Raoul Schindler (* 11. März 1923) mit seinem Interaktionsmodell zur Rangdynamik in Gruppen.

Die Seminar­teil­nehmer stellen sich in Gruppen zusammen. Die Fakten "Zeitdauer der Abstinenz" und "Zugehörigkeit zu der Selbsthilfegruppe im Kreuzbund e.V." bilden die Moti­vations­grundlage für die Zuordnung zu einer der Gruppenansammlungen. Insgesamt entstehen somit drei verschiedene Gruppierungen ("alte Hasen" – "Mittelalter" – "junge Füchse").

Die formulierten Frage­stellungen nach der Motivation sich für eine Selbsthilfegruppe zu entscheiden ergeben vielschichtige Gruppenleiterarbeitstagung Antworten (nicht abschließende Aufzählung):

  • Offenheit
  • Verschwiegenheit
  • Gruppe ist wichtig
  • Ehrlichkeit
  • Ausdauer
  • Freundschaften - Netzwerk

 

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Gruppe ein stabili­sierendes Element für die persönliche Abstinenz bildet. Die anderen in der Selbsthilfegruppe sollen die Möglichkeit haben von den eigenen Erfahrungen zu profitieren. Hierdurch ergibt sich ein gegenseitiger Austausch ("geben" und "nehmen"). Die regelmäßige Teilnahme an den Gruppen­abenden ist eine lohnende Zeitinvestition.

Der Begriff "Gruppendynamik" steht auch für Muster, in denen Vorgänge und Abläufe in einer Gruppe von Menschen erfolgen, eine Methode, die gruppendynamische Vorgänge beeinflusst und erfahrbar macht und die wissenschaftliche Disziplin, die diese Muster und Methoden erforscht. Hieraus lassen sich vier Phasen (Gruppenphasen) ableiten:

  • Anwärmphase: Befindlichkeit, Austausch, wie geht es mir und was beschäftigt mich;
  • Findungsphase:

  1. Gruppe gibt sich eine Struktur,
  2. Formulierung von Regeln (Routine, Orientierung gibt Sicherheit);

  • Arbeitsphase: das eigentliche Geschehen, Aus­einander­setzung mit Themen, Konflikten;
  • Abschiedsphase: "kalter" Abschied, einfach wegbleiben (Fehlen beim Gruppentreffen ohne vorherige Rückmeldung), schwierig ist der letzte Abschied (Ableben eines Gruppen­mitglieds).
  • Gruppenleiterarbeitstagung Gruppenleiterarbeitstagung

    Im Fall des Abschieds ist es eine grundlegende Thematik, auf Rituale zurückgreifen zu können. Hieraus schöpft die Gruppe Kraft den Weg zu gestalten. Durch den Entwicklungsprozess in der Gruppe werden die vier Phasen ständig durchlaufen. Beim Ausscheiden eines Mitglieds müssen die verbleibenden sich neu ausrichten (positionieren). Genauso verhält es sich, wenn ein neues Mitglied kommt. Die Aufgabestellung in der Gruppe besteht darin, den Prozess aktiv zu gestalten, aufzugreifen und anzusprechen.

    Gegenüber den Seminar­teil­nehmern wird die Aufgaben­stellung formuliert, sich unter Berück­sichtigung der vier Phasen zu Gruppen zu positionieren (aufzustellen). Entscheidungserheblich hierbei ist die momentane indi­viduelle Befindlichkeit. Im Übrigen sollen Themenfelder benannt werden, die phasenbezogen sind und einer vertiefenden Betrachtung unterzogen werden sollen.

    In dem laufenden Prozess wird die fünfte, die "Konfliktphase" ausgeblendet. Konflikte gibt es im Rahmen der einzelnen Gruppenphasen. Diese Regelvermutung wird einfach unterstellt.

    Die Themenfindung führt zu der nachfolgenden Auflistung:

    • Anwärmphase: Wie öffnet sich die Gruppe gegenüber Neuen, damit diese wiederkommen?
    • Findungsphase: Wie soll sich die Gruppe strukturieren, wenn ein neues Mitglied kommt (Gruppe besteht aus "alten Hasen")?
    • Gruppenleiterarbeitstagung

    • Arbeitsphase:

    1. aktuelles Thema (z. B. aus der Befindlich­keits­runde), method. Arbeitsweise;
    2. "mir geht’s gut Gruppe (durchgängige Rückmeldungen in der Befindlich­keits­runde);
    3. richtiger Umgang mit Störenfrieden.

  • Abschiedsphase:
    1. Ohnmacht und Sprachlosigkeit;
    2. Wegbleiben aufgrund Krankheit (offenes Ende);
    3. "kaltes" Wegbleiben, alle Re­integra­tions­versuche verpuffen.

    Jede der vier Phasen erfährt eine Strukturierung in vier untergeordnete Ebenen. Die nachgeordneten Ebenen entsprechen wiederum den vier Phasen. Ein ständiger, dynamischer Prozess läuft somit innerhalb der Gruppe ab. Dadurch entsteht ein Prozess in Form einer Spirale:

    Anwärmphase (Anwärmphase, Findungsphase, Arbeitsphase, Abschiedsphase),
    Findungsphase (Anwärmphase, Findungsphase, Arbeitsphase, Abschiedsphase),
    Arbeitsphase (Anwärmphase, Findungsphase, Arbeitsphase, Abschiedsphase),
    Abschiedsphase (Anwärmphase, Findungsphase, Arbeitsphase, Abschiedsphase).

    Die Gruppe befindet mit Hilfe soziometrischer Entscheidungen über die Rangfolge der zu bearbeitenden Themen:

    Gruppenleiterarbeitstagung

    Im Rahmen einer praktischen Übung wird die vierte Phase (Abschiedsphase) plastisch verdeutlicht. Hierbei werden die "persönlichen Innwelten" einer Gruppen­leitung unter Berück­sichtigung einer konkreten Situation abgebildet. (das kulturelle Atom = innere Rollenanteile und deren Verhältnis zueinander) Die angenommene Situation besteht in der Krankheit eines Gruppemitglieds, das vom nahen Tod gezeichnet ist. Die einzelnen "Innenwelten" der Gruppen­leitung werden durch Seminar­teil­nehmer dargestellt.

    In derrealen Anwendung kann als methodische Arbeitsweise ein "leerer" Stuhl Verwendung finden. Die Gruppen­mitglieder verabschieden sich von der "Person" auf dem "leeren" Stuhl.

    Eine weitere praktische Übung soll die Findungsphase analysieren. Die Annahme wird formuliert, zu einer bestehenden Gruppe aus fünf Mitgliedern kommen innerhalb kürzester Zeit sechs neue hinzu. Einzelne Seminar­teil­nehmer übernehmen die Rollen der vorhandenen und neuen Mitglieder. Die Aufgaben­stellung besteht nunmehr im Findungsprozess nach einer neuen Struktur. Die Gruppe muss sich neu ausrichten und Regeln und Rituale festlegen.

    Durch die dritte praktische Übung wird die Arbeitsphase näher erläutert. Wiederum liegt eine konkrete Situation dem Rollenspiel zugrunde. Die Gruppe lässt sich zunächst durch ein Mitglied beeinflussen bestimmte Verhaltens­weisen anzunehmen. In dem weiteren Prozess werden die eingeübten Verhaltens­weisen kritisch hinterfragt und korrigiert. Für die einzelnen Mitglieder ist hierbei insbesondere von Bedeutung, eigene Grenzen des Verhaltens zu definieren und diese einzuhalten.

    Friedrich Mey, Gruppe Löffingen

    Fotos: Redaktion

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